Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
Dreck des langen Tages machte das Tuch dafür völlig unbrauchbar. Er griff nach dem nächstbesten Küchentuch, doch er erwischte nur einen Topflappen. Der würde ihm auch nicht helfen.
Da trat Hope in die Küche. Er warf ihr einen hilflosen Blick zu.
Ein kurzer Blick zu Annie – dann stemmte Hope energisch die Hände in die Hüften. „Mr Stauffer, Sir, ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich gern herumkommandiere. Deshalb würde ich Ihnen raten, den Topflappen ganz schnell wieder da hinzulegen, wo er herkommt, sonst bricht gleich ein großes Donnerwetter über Sie herein. Annie, vielleicht solltest du ihm den Topflappen besser abnehmen.“ Sie schnitt eine Grimasse und in ihrer Stimme schwang ein Lachen mit. „Stell dir das doch nur mal vor: Ein Mann, der kochen will!“
Die Grimasse war in diesem Moment genau das Richtige. Annie wischte ihre Tränen weg.
„Wer sagt, dass ich nicht kochen kann?“ Jakob versuchte, empört zu klingen. „Annie, sag ihr, dass ich kochen kann.“
Gehorsam antwortete Annie: „Er kann kochen.“
„Eher unwahrscheinlich!“ Hope ließ nicht locker. Mit gerümpfter Nase streckte sie die Hand aus. „Wenn Sie mir den Topflappen jetzt nicht endlich geben, verbrennt mir das Brot im Ofen. Dann hätten Annie und ich ganz umsonst geschuftet.“
Er legte den Topflappen in ihre von der Arbeit gezeichneten Hände. „Ein verbrannter Laib Brot würde die Meinung der Männer heute auch nicht mehr ändern. Bei der Ernte erwartet jeder gutes und reichliches Essen – aber das, was ihr uns heute gezaubert habt, hat alles, was wir bisher gewohnt waren, weit übertroffen.“
„Siehst du, Annie? Ich hab’s dir doch gesagt! Deine Kuchen waren das Beste heute. Du hättest die Augen der Männer da draußen im Feld sehen sollen, als ich das Tuch von deinen Kuchen gezogen hab. Ihre Hände sind praktisch alle gleichzeitig darauf zugeschossen.“ Hope ging zum Ofen.
„Sie hat recht, Annie.“
Annie senkte den Kopf und konzentrierte sich auf den Kohl. „Hope und Velma haben den Teig gemacht. Und all die anderen Frauen haben Essen mitgebracht – gutes Essen.“
„Natürlich haben sie das. Sie haben alle ihr Letztes gegeben.“
„Ihr Letztes?“ Annie schaute Hope fragend an.
Jakob räusperte sich. „Sie haben ihr Bestes gegeben.“
Hope dachte einen Moment nach, dann schüttelte sie den Kopf. „Das habe ich gar nicht gemeint. Natürlich haben wir alle unser Bestes gegeben. Das macht man doch immer so bei der Ernte. Aber hier in der Gegend hab ich das Gefühl, dass jeder für den anderen auch sein Letztes geben würde.“
„Das mag ja sein, aber das Sprichwort heißt nun mal so.“ Jakob wollte nicht unfreundlich sein, deshalb beließ er es dabei.
Hope schüttelte den Kopf und öffnete die Ofentür. Der Duft von frisch gebackenem Brot erfüllte die Küche. Genüsslich atmete sie den Duft ein und sagte: „Vielleicht geht es ja nur mir so, aber nichts riecht besser als frisch gebackenes Brot. Vielleicht ist es Jesus so gegangen, und er hat deshalb für unser tägliches Brot gebetet.“
„Es riecht immer wieder gut.“ Annie schüttete verschiedene Zutaten in die Schüssel mit dem Kohl und vermischte alles.
„Hast du deinem Bruder schon erzählt, wie Gott heute für dich gesorgt hat?“
Jakob schaute von Hope zu Annie.
„Wenn du nichts dagegen hast – Sydney und Velma haben mich auf die Forsaken Ranch eingeladen, damit ich mich während der Ernte um die Babys kümmere, während ihre Mütter auf den anderen Farmen beim Kochen helfen. Wenn ... wenn du nichts dagegen hast.“
Erleichterung durchströmte seinen ganzen Körper. Volkner würde sicher die gesamte Erntezeit in der Gegend bleiben und auf allen Farmen helfen. Wenn er Annie in dieser Zeit nicht mehr begegnen könnte, dann brauchte sich Jakob keine Gedanken mehr zu machen, dass Volkner Annie vielleicht irgendwo zufällig traf. „Dem Herrn sei Dank für seine Güte. Ja, Annie. Das ist sehr gut!“
Doch sie schien noch nicht ganz überzeugt zu sein.
Hope nahm Annie die Schüssel aus der Hand. „Das sieht lecker aus. Ich bringe es nachher ins Brunnenhaus. Vielleicht solltest du uns jetzt erst mal sagen, was dich bedrückt?“
Annie kaute auf ihrer Unterlippe. Dann brachen die Worte aus ihr heraus: „Am Sonntag im Gottesdienst. Da wird Volkner mich sehen.“
Daran hatte Jakob auch schon gedacht. Bis jetzt war ihm noch keine Lösung eingefallen. Fragend blickte er zu Hope.
„Darüber denke ich schon den ganzen Tag nach.
Weitere Kostenlose Bücher