Ein Sehnen Im Herzen
seinem Pferd zu reiten wie normale Menschen, und deshalb musste er Murphys Leichenwagen mieten!«
Emma stellte fest, dass sie unverzüglich handeln musste, um ihr Porzellan zu retten. Bei einer Pechsträhne wie der ihren durfte sie kein Risiko eingehen. Daher wandte sie ihr Gesicht wieder dem Regen zu und rief dem Passagier in der Kutsche zu: »Also wirklich, Lord MacCreigh, ich bin sehr erstaunt. Ich dachte, ich hätte unmissverständlich klar gemacht, dass meine Antwort...«
Noch während sie sprach, schwang der Wagenschlag langsam auf und gab den Blick auf das Innere der Kutsche und einen großen Mann in einem schweren, pelzbesetzten Mantel frei. Er stieg etwas steifbeinig aus, was nicht weiter verwunderlich war, da das Innere von Murphys Wagen nicht dem Komfort der Lebenden, sondern dem der Toten diente.
Emma stellte fest, dass ihr Besucher keineswegs Lord MacCreigh war.
Abgesehen von der Tatsache, dass Lord MacCreigh entgegen Cletus' Behauptung durchaus nicht so verweichlicht war, um wegen eines kleinen Schauers Murphys Kutsche zu mieten - er war ein passionierter Reiter, dem schlechtes Wetter nichts auszumachen schien -, sa h dieser Mann ganz anders aus als ihr unerbittlichster Verehrer. Der Mann hier war im Gegensatz zu Geoffrey Bain, Baron von MacCreigh, der rote Haare hatte und einen Schnurrbart trug, dunkelhaarig und glattrasiert, und unter seinem Mantel trug der Mann beige Hosen und eine grüne Satinweste; Geoffrey Bain hingegen kleidete sich, seit er im Vorjahr von seiner jungen Verlobten verlassen worden war, stets in Schwarz. Obwohl das Alter - dreißig - und die Größe - ein wenig über einsachtzig - ungefähr hinkamen, waren die beiden Männer in jeder anderen Hinsicht absolut gegensätzlich.
Dieser Mann war Emma fremd. Und das an sich war schon seltsam, da nie Fremde nach Faires kamen.
Und schon gar nicht, um sie zu besuchen.
Hier musste ein Irrtum vorliegen. Ja, natürlich, das musste es sein. Denn falls sich die Neuigkeit ihrer Erbschaft nicht auf dem Festland verbreitet hatte, und Emma betete inständig, dass es so wäre, gab es keinen, nicht den geringsten Grund, warum ein Fremder sie aufsuchen sollte.
Der Mann ging auf das Cottage zu, und Emma, die zum ersten Mal sein Gesicht sehen konnte, stellte mit sinkendem Mut fest, dass dieser Tag einer der schlechtesten zu werden versprach.
Der Mann war kein Fremder, ganz und gar nicht.
Hewlett-Packard
Kapitel 2
Oh Gott«, murmelte Emma, und ihre Hände, die auf der unteren Türhälfte lagen, verkrampften sich.
Sie erkannte ihn sofort. Die Ähnlichkeit zwischen diesem Mann und ihrem verstorbenen Gatten war schon immer verblüffend gewesen: Die unangenehm durchdringenden grünbraunen Augen, das dunkle Haar, eine Spur länger, als es der Mode entsprach - oder zumindest bei Emmas letztem Aufenthalt in London der Mode entsprochen hatte - und das, was bei einem Mann im Allgemeinen als auffallend gutes Aussehen galt... eine breite, glatte Stirn, schmale, markante Kiefer, Grübchen im Kinn.
Obwohl James von jeher der größere von beiden gewesen war - beinahe einen Kopf größer als Stuart und mit entsprechend breiteren Schultern -, war es Stuart gewesen, hinter dessen schmächtigeren äußeren Erscheinung die geistig gefestigtere Seele wohnte. Das hatte Emma jedenfalls geglaubt.
»O mein Gott«, sagte sie wieder. Ihr Mund war plötzlich wie ausgetrocknet.
Cletus, der immer noch hinter ihr stand, kam in Bewegung. Das Porzellan auf dem Regal schepperte laut. »Das reicht«, verkündete der junge Landmann. »Er ist ein toter Mann, Baron hin oder her.«
Emma merkte zu spät, dass sie laut gesprochen hatte. Und obwohl es ihr vielleicht nicht unangenehm gewesen wäre, wenn der Earl von Denham eine anständige Tracht Prügel von ihrem kräftigen jungen Nachbarn bezogen hätte, würde sich der Mord an einem Mitglied des Hochadels in ihrem Wohnzimmer vor den hiesigen Gesetzesvertretern möglicherweise schwer erklären lassen - und sie wollte wirklich nicht noch eine Leiche auf dem Gewissen haben.
Emma wirbelte herum und hob beide Hände, um Cletus, der im Sturmschritt zur Tür stapfte, aufzuhalten. Ihre Finger prallten auf eine Mauer von Fleisch. Genauso gut hätte man versuchen können, einen gereizten Bullen aufzuhalten, wie Cletus MacEwan daran zu hindern, genau das zu tun, was er wollte. Dennoch stemmte Emma beide Füße fest auf die Bodendielen und rührte sich nicht von der Stelle.
»Nein, nein, Mr. MacEwan«, sagte sie schnell. »Das ist nicht
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