Ein Sehnen Im Herzen
denken.
Es war geradezu absurd, wie befriedigend dieses Gefühl war, vor allem angesichts der Tatsache, dass sich in den letzten sechs Monaten sehr wenige Menschen um Emmas persönliches Wohlergehen Gedanken gemacht hatten, aber sehr, sehr viele Gedanken um die zehntausend Pfund, die sie an ihrem Hochzeitstag erben würde. James Interesse hingegen war sehr persönlich. Durch und durch persönlich. So persönlich, dass sie beinahe hätte schwören können, dass er etwas für sie empfand...
... und zwar mehr als nur den Wunsch, ein Unrecht wieder gutzumachen, das er ihr angetan hatte. Denn packten seine Arme nicht fester zu, als sie ihre Hände um seinen Nacken legte, und zogen sie enger an sich? Und konnte sie nicht durch seine Jacke und das Mieder ihres Kleides hindurch fühlen, wie sein Herz laut pochte? Und war da nicht wirklich etwas wie Besitzerstolz in seinem Kuss, fast als ... fast als hätte er das Gefühl, dass sie jetzt ihm gehörte? Es war einfach Schwindel erregend, so geküsst zu werden, als wäre James ein Eroberer und Emma seine Kriegsbeute ...
Nicht, dass Emma dazu neigte, solchen Fantasien nachzuhängen. Nur... nur wie anders wäre vielleicht alles gekommen, wenn Stuart sie nur ein einziges Mal so geküsst hätte!
Aus diesen Überlegungen wurde Emma durch ein plötzliches und sehr lautes Räuspern gerissen, das ihr abrupt zu Bewusstsein brachte, wo sie war. Lieber Gott! Immer noch in Lord MacCreighs Heim und bei all diesen Leuten, die sie anstarrten! Wie leicht war es gewesen, sich in James' Umarmung zu verlieren! Wie schön, von so starken Armen gehalten zu werden, die Wärme zu spüren, die sie umgab, den reinen Duft seines frisch gewaschenen Hemds einzuatmen!
Indem sie sich von James losriss, warf Emma einen schuldbewussten Blick in Richter Reardons Richtung. Er zumindest schien nicht vor Wut zu kochen wie Lord MacCreigh, der neben ihm stand. Nein, Richter Reardon wirkte aufrichtig erheitert.
»Sehr schön«, sagte er zufrieden und klappte sein Buch mit dem Text für richterliche Trauungen zu. »Ende gut, alles gut. Eine perfekte Verbindung, würde ich sagen. Sie braucht Festigkeit, die er in Hülle und Fülle hat, während er ein wenig weicher werden könnte, und dafür wird sie schon sorgen. Und jetzt, wenn es Ihnen nichts ausmacht, kehre ich zu meinem Haggis zurück.«
Zu Emmas geheimem Verdruss richtete James sich auf und ließ sie los. Aber als sie zu ihrem Entsetzen ein wenig unsicher auf den Beinen schwankte, weil der Kuss alles Mark aus ihren Knochen gesaugt zu haben schien, legte er stützend eine Hand um ihre Taille.
»Ja«, sagte James mit seiner tiefen - und wie ihr auffiel, völlig unbewegten Stimme. »Wir haben Lord MacCreighs Gastfreundschaft lange genug in Anspruch genommen!«
»Unsinn!« In Fiona Bains lieblicher Stimme verriet nur ein ganz leichter schriller Unterton, dass sie ähnlich verbittert wie ihr Bruder war, der sich schmollend in einen tiefen Lehnstuhl vor dem Feuer zurückgezogen hatte. »Sie müssen zum Mittagessen bleiben! Ein Hochzeitsmahl.«
Mrs. MacTavish und ihr Sohn machten hoffnungsvolle Gesichter und selbst Cletus schien ein wenig von der düsteren Stimmung abzuschütteln, die Emmas Hochzeit bei ihm ausgelöst hatte. Ein Hochzeitsmahl? Ein solcher Anlass war selten genug, um freudige Erregung hervorzurufen - insbesondere, wenn dabei einige Kostproben aus Lord MacCreighs Weinkeller zu erwarten waren.
Aber Emma wollte nicht zu einem Hochzeitsmahl bleiben, nicht einmal, wenn dazu Wein gereicht wurde. Denn das hier war in Wirklichkeit keine Hochzeit... auch wenn nur Lord Denham und sie in dieses kleine Geheimnis eingeweiht waren.
Zu ihrer Erleichterung schien James genauso zu denken, denn er sagte: »Herzlichen Dank, Miss Bain, vielleicht ein anderes Mal. Roberts, meinen Umhang.«
Und schneller, als Emma gedacht hätte, fand sie sich zwischen ihrem Ehemann - ihrem Ehemann! - und seinem Kammerdiener in Mr. Murphys Leichenwagen wieder und ließ Castle MacCreigh hinter sich.
Welch ein Unterschied zu ihrer Ankunft vor einer knappen Stunde, als sie voller Angst im Herzen gewesen war und erwartet hatte, im Schloss Mord und Totschlag vorzufinden. Eine ganz andere Angst erfüllte sie jetzt, als sie den Kings Crag hinunterführen. Diesmal war es nicht Mord, den sie fürchtete, sondern etwas viel weniger Greifbares.
Eine Ahnung von der wahren Natur ihrer Ängste dämmerte ihr, als sie das Dorf erreichten und James Mr. Murphy zurief: »Zu Lady Denhams Cottage,
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