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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Arzt. Ich habe einen Aufkleber an der Windschutzscheibe. Ich mache einen Hausbesuch.«
    »Wohnt sie bei Woolworth?«
    Wir befanden uns in einer geschäftigen Einkaufsstraße.
    Mrs. Ferrer wohnte in einer der Wohnungen, die man nicht bemerkt. Eine Haustür zwischen Geschäften führte in den ersten Stock, von dem man nicht angenommen hätte, daß es ihn gibt.

    Durch eine Tür gelangte man von der Straße aus über ein paar mit grauem Teppich belegte Stufen zu einem Treppenabsatz, von dem zwei Türen abgingen. An der einen hing das Namensschild eines Zahnarztes, an der anderen stand nichts.
    »Das muß es sein«, sagte Daley. »Praktisch zum Einkaufen jedenfalls.«
    Es gab weder eine Klingel noch einen Türklopfer. Er klopfte mit dem Fingerknöchel an die Tür. Wir warteten in unbehaglichem Schweigen. Niemand erschien. Er klopfte noch einmal. Nichts.
    »Vielleicht arbeitet sie«, schlug ich vor.
    Daley drehte am Türknopf. Die Tür ließ sich öffnen.
    »Ich glaube nicht, daß wir reingehen sollten«, sagte ich.
    »Das Radio ist an.«
    »Vermutlich hat sie vergessen, es auszuschalten, als sie wegging.«
    »Vielleicht kann sie uns nicht hören. Gehen wir nach oben und sehen nach.«
    Es folgten weitere Stufen. Diesmal ohne Teppich. Als ich oben angekommen war, wehte mir stickige heiße Luft entgegen.
    Michael schnitt eine Grimasse.
    »Stimmt etwas mit der Stromversorgung nicht?« fragte ich.
    »Erinnerung an Spanien, nehme ich an.«
    »Mrs. Ferrer!« rief ich. »Hallo? Wo ist das Radio?«
    Michael wies nach vorn in die winzige, schmutzige Küche.
    »Ich suche die Heizung«, sagte er.
    Ich ging in die Küche, in der blechern die Musik spielte. Ich fand das Radio neben dem Spülstein, drückte vergeblich auf Knöpfe und zog dann den Stecker aus der Wand. Ich hörte einen Schrei, den ich zuerst für ein verspätetes Plärren aus dem Radio hielt, aber dann erkannte ich, daß es mein Name war: »Sam!

    Sam!« Ich rannte weiter ins andere Zimmer und stieß auf eine seltsame Szene. Als ich, nur wenige Minuten später, daran zurückdachte, konnte ich mich nicht mehr erinnern, wie ich sie in meinem Kopf gedeutet hatte. Ich konnte eine vollständig bekleidete Frau auf dem Bett liegen sehen, in einem grauen Rock mit buntem Nylonpullover. Kein Kopf. Doch, da war ein Kopf, aber er wurde von etwas verdeckt, und Michael zog und riß hektisch daran herum. Es war Plastik, eine Tüte, wie man sie im Supermarkt für Obst bekommt. Michael steckte der Frau die Finger in den Mund und drückte dann fest auf ihre Brust, während er etwas mit ihren Augen machte. Ich sah mich nach einem Telefon um. Dort. Ich wählte.
    »Bitte einen Krankenwagen. Was? Wo wir sind? Michael, wo sind wir?«
    »Quinnan Street.«
    »Quinnan Street. Bei Woolworth. Über Woolworth, glaube ich.
    Und die Polizei auch.« Wie hieß er noch? Rupert. Rupert.
    »Sagen Sie Inspector Baird vom Stamford CID Bescheid.«
    Ich legte den Hörer auf und sah mich um. Michael saß jetzt reglos da, verdeckte den größten Teil von Mrs. Ferrers Körper, obwohl ich ihre offenen Augen und ihr wirres graues Haar sehen konnte. Er stand auf und ging an mir vorbei. Ich hörte in der Küche einen Wasserhahn laufen. Ich ging hinüber und setzte mich neben die Leiche. Ich berührte ihr Haar und versuchte, es ein wenig zu ordnen, nur konnte ich mich nicht erinnern, wie es liegen sollte. Wer war noch da, der es wußte?
    »Es tut mir leid«, sagte ich laut zu mir selbst, zu ihr. »Es tut mir so furchtbar leid.«

    Der Krankenwagen war innerhalb von fünf Minuten da. Ein Mann und eine Frau in grünen Overalls kamen hereingerannt, wurden dann langsamer und hielten nach einer kurzen Untersuchung der Leiche inne. Sie sahen sich um, als erwachten sie aus einem Traum und sähen uns zum erstenmal. Während wir uns vorstellten, kamen zwei junge Constables die Treppe herauf. Ich fragte nach Baird, und einer von ihnen sprach in ein Funkgerät. Ich flüsterte mit Daley, fühlte mich schuldig, als wären wir Verschwörer.
    »Wie ist sie gestorben?« Ich kannte die Antwort.
    Er sah benommen aus.
    »Plastiktüte«, murmelte er. »Über den Kopf. Erstickt.«
    Ich spürte Schmerzen im Magen, die durch den Ösophagus aufzusteigen schienen und zu pochenden Kopfschmerzen wurden. Ich konnte nicht klar denken, wußte nur, daß ich am liebsten gegangen wäre, aber es nicht konnte. Ich war seltsam erleichtert, als ein paar Minuten später Baird erschien und in Begleitung eines zerstreut und zerknittert aussehenden Mannes,

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