Ein sicheres Haus
der mir als Kale, der Polizeipathologe, vorgestellt wurde, ins Zimmer trat. Mit einem Nicken ging Baird an mir vorbei und stand einen Moment schweigend vor der Leiche. Dann drehte er sich zu mir um.
»Was wollen Sie hier?« fragte er in gedämpftem Ton.
»Ich machte mir Sorgen um sie«, sagte ich.
»Aus gutem Grund, wie es scheint. Ist die Leiche bewegt worden?«
»Nein. Michael hat versucht, sie wiederzubeleben.«
»Ist der Tod erst vor kurzem eingetreten?«
»Keine Ahnung. Bei dieser Hitze ist das schwer zu sagen.«
Baird schüttelte den Kopf.
»Schrecklich«, sagte er.
»Ja«, sagte ich.
»Sie brauchen nicht zu bleiben. Keiner von Ihnen.«
»Ich denke, wir sollten es Finn besser sagen.«
»Das würde ich gern selbst tun, wenn es Ihnen recht ist.« Das war Michael. »Ich bin schließlich ihr Arzt.«
»Ja, das sind Sie.«
Und so fuhren wir auf lächerlich umständliche Art zurück nach Elm House. Michael fuhr mich zu seiner Praxis, wo ich meinen Wagen abgestellt hatte. Dann fuhren wir im Konvoi aus Stamford hinaus. Während der ganzen Fahrt dachte ich an diese Frau, die an den Schauplatz eines Verbrechens kommt, das Blut und das Leid sieht, damit nicht fertig wird, aber niemand hat, der ihr hilft. Und ich hatte das bereits gewußt und war zu spät gekommen.
Wir trafen Finn in der Küche an, wo sie mit Elsie Buchstaben malte. Ohne ein Wort nahm ich Finn und Elsie bei der Hand und ging hinaus zu Michael. Ich hielt Elsie fest in meinen Armen und redete mit ihr über den Tag in der Schule, während ich beobachtete, wie Michael und Finn zum Meer hinuntergingen.
Ich sah ihre Silhouetten, und hinter ihnen hatte das Schilf in der tiefstehenden Sonne goldene Spitzen, obwohl es noch nicht mal vier Uhr war. Sie redeten und redeten und lehnten sich manchmal aneinander. Endlich kamen sie zurück. Ich setzte Elsie ab, und wortlos fiel Finn in meine Arme und drückte mich an sich, so daß ich ihren Atem an meinem Hals spürte. Ich fühlte, wie Elsie seitlich an mir zog, und wir alle lachten und gingen ins Haus.
14. KAPITEL
»Bin ich Ihre Patientin?«
Ich fühlte mich wie eine Mutter, die gefragt wird, woher die Babys kommen, als hätte ich mir bereits die verschiedenen Antworten überlegt, die ich geben konnte, wenn die Frage gestellt wurde. Für einen Augenblick war ich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch zu trösten und der Verpflichtung, mich klar auszudrücken.
»Nein. Du bist Dr. Daleys Patientin. Aber du solltest dich nicht als Patientin betrachten.«
»Ich rede nicht von mir, ich rede von Ihnen.«
»Was meinst du?«
»Ich weiß nicht, was ich in Ihrem Haus mache. Verstecke ich mich? Bin ich auf der Flucht? Bin ich eine Untermieterin? Eine Freundin? Eine Kranke?«
Wir saßen in einer Art Bistro in der Nähe des alten Hafens in Goldswan Green, eine halbe Stunde die Küste hinauf und fast leer an diesem kalten Montag im Februar. Ich aß einen Teller Pasta, und Finn stocherte mit der Gabel in einem Beilagensalat, den sie als Hauptgericht bestellt hatte. Sie spießte ein Blatt von irgendeinem bitteren Salat auf, den ich ungenießbar fand, und drehte es.
»Ich nehme an, von allem etwas«, sagte ich. »Bis auf die Kranke.«
»Ich fühle mich krank. Ich fühle mich die ganze Zeit krank.«
»Ja.«
»Sie sind die Expertin, Sam«, sagte Finn, den Salat auf ihrem Teller herumschiebend. »Was sollte ich fühlen?«
»Finn, in meiner beruflichen Eigenschaft achte ich normalerweise darauf, daß ich den Leuten nicht sage, was sie tun oder fühlen sollten. Aber in diesem Fall werde ich eine Ausnahme machen.«
Finns Gesichtszüge verhärteten sich.
»Was meinen Sie?«
»Als Autorität auf dem Gebiet der posttraumatischen Persönlichkeitsstörungen würde ich dir dringend raten, daß du aufhörst, mit deinem Salat herumzuspielen und mit der Gabel über den Teller zu kratzen, denn das geht mir auf die Nerven.«
Finn fuhr zusammen, schaute nach unten und entspannte sich dann mit einem halben Lächeln.
»Andererseits«, fuhr ich fort, »könntest du etwas davon von deinem Teller in deinen Mund befördern.«
Finn zuckte mit den Schultern, steckte das große Salatblatt in den Mund und kaute es. Ich empfand ein Gefühl des Triumphes.
»Siehst du«, sagte ich. »Das war nicht so schwierig.«
»Ich habe Hunger«, sagte Finn, als registriere sie das Verhalten eines fremdartigen Geschöpfs.
»Ausgezeichnet.«
»Vielleicht könnte ich mir auch solche Nudeln bestellen wie Sie.«
»Nimm meine.«
Ich schob
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