Ein sicheres Haus
vor allem, wenn im Frühjahr Flut ist.«
»Aber da fahren wir jetzt nicht hin, oder?« fragte ich nervös.
»Ich denke«, antwortete er ernst und zog an seinem Segel,
»das heben wir uns für einen anderen Tag auf.«
Für ein paar Minuten, solange die Belladonna auf diesem Kurs blieb und ich nur stillsitzen und das Wasser vorbeirauschen lassen mußte und dabei Michaels ruhiges Profil im Wind sah, genoß ich die Fahrt beinahe. Die Wellen unter uns plätscherten in einem stetigen Rhythmus, und am bleiernen Himmel zeigte sich kurz die Sonne. Ein anderes Dinghi fuhr hinter uns vorbei, und die beiden Segler hoben grüßend die behandschuhten Hände; es gelang mir, das Winken zu erwidern und dabei halbwegs fröhlich zu lächeln. Einmal konnten wir sogar fast so etwas wie ein Gespräch führen.
»Sie hassen es, in jemandes Hand zu sein, nicht?«
»Es gibt nicht viele Leute, deren Hände ich traue«, antwortete ich.
»Ich hoffe, Sie trauen meinen.«
Flirtete er etwa? Dazu war jetzt wirklich nicht der Moment.
»Ich versuche es.«
»Es muß schwierig sein, mit Ihnen zu leben, Dr. Laschen.
Findet Danny Sie nicht schwierig?«
Ich gab keine Antwort; feuchter Wind stach mir in die Wangen, und das graue Meer rauschte vorbei.
»Obwohl er den Eindruck macht, daß er ganz gut auf sich selbst aufpassen kann und sich zu schützen weiß. Ein ziemlich weltgewandter Bursche, würde ich meinen.«
Wenn ich mich nicht so auf die ferne Uferlinie und die Lage des Bootes konzentriert hätte, hätte das Wort »Bursche« meinen Widerspruch herausgefordert. Doch so nickte ich bloß und fummelte an dem nassen Knoten in meinem Tau herum, das müßig in meinem Schoß lag.
Aber dann zog Michael das Ruder an sich, bis der Wind direkt von hinten kam, hob mit einer glatten Bewegung das Schwert an, ließ sein Segel aus, bis es sich öffnete wie eine üppige Blüte, und wies mich an, mein Segel anzuziehen, bis es sich von der anderen Seite mit Wind füllte.
»Ich denke, so geht es ganz gut«, sagte er. »Rutschen Sie rüber, wir müssen unser Gewicht gleichmäßig verteilen.«
Der Bug des Dinghis hob sich, und wir glitten durch die Wellen.
»Aufgepaßt, Sam. Wenn der Wind wechselt, müssen wir halsen.«
»Halsen? Nein, erklären Sie mir nichts, sagen Sie bloß, wie ich es verhindern kann.«
Michael konzentrierte sich, schaute zu dem Fähnchen hoch, um festzustellen, aus welcher Richtung der Wind kam, justierte ein wenig die Stellung der Segel. Das Boot hob und senkte sich so, daß mir ganz komisch im Magen wurde; wir stiegen und fielen mit einer gierenden Bewegung, die seltsame Dinge mit meinen Eingeweiden anstellte. Meine Zunge fühlte sich an, als lägen Kieselsteine darauf.
»Äh, Michael?«
»Mmm.«
»Könnten Sie einen Moment aufhören, das Boot so zu bewegen? Mir ist ein bißchen …«
»Der Wind wechselt, wir halsen. Lassen Sie Ihr Segel flattern.«
Es kann nur eine Sekunde gedauert haben. Für einen kurzen Augenblick schienen wir im Wasser stillzustehen, und die Segel hingen schlaff herunter. Dann sah ich entsetzt, wie der Baum aus seiner Position schwang und seitlich auf uns zukam. Das Boot kippte plötzlich zur Seite. Mein Magen hob sich, und ich stand auf, dachte nur daran, an den Rand zu kommen, bevor ich mich übergeben mußte.
»Kopf runter, Sam!« rief Michael.
Der Baum traf mich direkt über dem Ohr, und zwar mit solcher Wucht, daß die Welt für einen Augenblick schwarz wurde. Ich stürzte und rutschte durch das Boot, das sich schräg legte, und der Baum schwang zurück. Diesmal verfehlte er mich, traf dafür aber Michaels Kopf, als er aufstand, um mir zu helfen. Wie zwei große schwarze Käfer lagen wir auf dem nassen Boden des Bootes, beide Segel waren locker und flatterten wild im Wind. Ich fühlte mich viel sicherer, wenn ich nicht sehen konnte, was passierte.
»Halten Sie still!« befahl er.
»Aber …«
Er hob eine Hand und machte ganz sanft und vorsichtig einen Ohrring, der sich gelöst hatte, wieder an meinem Ohrläppchen fest.
»Wie kann man zum Segeln nur solche baumelnden Dinger tragen! Alles in Ordnung?«
Tatsächlich war ich auf einmal und ziemlich grundlos ganz ruhig. Die Übelkeit in meinem Magen verging; mein Herz raste nicht mehr.
Nur eine Schläfe fühlte sich schmerzhaft und geschwollen an.
Das Boot hüpfte noch immer auf und nieder, aber da die Segel jetzt schlaff waren, konnte der Wind ihm nichts mehr anhaben.
Michael neben mir hatte eine beruhigende Wirkung, weil er seiner selbst so
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