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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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wird mir wärmer? Mir ist eiskalt, Dr. Daley.«
    Er lachte, seine ebenmäßigen weißen Zähne strahlten, die Segel flatterten wild um ihn herum. Plötzlich, als das Vor- und dann das Hauptsegel hochgezogen waren, hörte das Boot auf herumzuhüpfen; es fühlte sich nicht mehr an, als müßte ich einen zuckenden Drachen bändigen, sondern eher einen Hund, der begierig ist loszurennen.
    »Schieben Sie die Nase ein bißchen an!« rief Michael. »Und dann springen Sie rein; springen, sagte ich, nicht fallen.«
    Strampelnd landete ich im Rumpf des Bootes und stieß mir das Knie an. Sofort legte sich das Boot schräg. Wasser schwappte über den Rand. Mein Gesicht war ungefähr zehn Zentimeter davon entfernt.
    »Kommen Sie auf meine Seite«, wies Michael mich an, der nicht übermäßig besorgt schien. »So, und jetzt setzen Sie sich hier neben mich und schieben die Zehen unter diese Leine dort.
    Dann fallen Sie nicht ins Wasser, wenn Sie sich hinauslehnen.«
    Er hielt die Pinne mit einer Hand, mit der anderen zog er die Leine an, die das kleine Segel hielt, und straffte es. Die Segel blähten sich, und ich merkte, daß das Boot nun nicht mehr seitwärts trieb, sondern Fahrt aufnahm. Für meinen Geschmack viel zuviel Fahrt.
    »So, Sam, bis es richtig losgeht und solange der Wind noch schwach ist …«
    »Schwach!« ächzte ich.
    »Wir kriegen erst richtig Fahrt, wenn wir um die Landspitze herum und im offenen Wasser sind.«

»Oh!«
    »Alles, woran Sie denken müssen ist, daß wir den Wind benutzen, um dahin zu gelangen, wo wir hinwollen. Manchmal wird er von der Seite kommen, dann liegen wir schräg, manchmal von hinten, dann segeln wir vor dem Wind, und manchmal fast von vorn, dann …«
    »Dann kippen wir um, nehme ich an«, stöhnte ich.
    Er grinste mich an.
    »Sie brauchen bloß diese Leine zu halten« – er warf mir das Ende des Taus zu, an dem das kleinere Segel befestigt war –
    »und zu kontrollieren. Je mehr wir in den Wind gehen, desto fester müssen Sie anziehen. Wenn wir Fahrt machen, lassen Sie locker. Wenn wir halsen, brauchen Sie nur loszulassen und auf der anderen Seite anzuziehen. Um alles andere kümmere ich mich. In Ordnung?«
    »In Ordnung.«
    »Im Bug liegen noch Handschuhe.«
    Ich beugte mich vor, um sie zu holen, aber plötzlich neigte das Boot sich stark zur Seite.
    »Lehnen Sie sich zurück; nein, Sam, zurück, damit wir das Boot aufrecht halten. Zurück, Sam!«
    Ich lehnte mich zurück und hatte das Gefühl, über dem Wasser zu hängen, nur von meinen schwachen Zehen gehalten. Meine Hände kribbelten vor Kälte, mein durchgedrückter Rücken schmerzte, mein Hals war verdreht, so daß ich, wenn ich die Augen ein wenig rollte, das Wasser unter uns sehen konnte –
    beunruhigend weit entfernt. Das Schwert kam aus dem Wasser; wenn ich nach vorn schaute, konnte ich sehen, daß auf der anderen Seite Wasser ins Boot schwappte. Ich schloß die Augen.
    »So, Sam, wenn ich ›Wenden!‹ rufe, lassen Sie die Leine locker und das Segel flattern. Und dann rutschen Sie schnell auf die andere Seite, wenn das Boot sich dreht. Alles klar?«
    »Nein. Wenn ich mich bewege, kippen wir um.«
    »Kentern.«
    »Verdammt, nennen Sie es, wie Sie wollen, ich sage umkippen.«
    »Keine Sorge, Sam, wir kentern nicht; so windig ist es nicht.«
    Ich mochte den herablassenden Ton in seiner Stimme nicht.
    »Also los!« schrie ich und zog das Tau mit einem Ruck aus der Halterung. Das Segel flatterte wild, das Boot hüpfte, der Lärm war ohrenbetäubend. Ich rutschte in die Mitte des Bootes und stieß mich am Schwertkasten. Michael drückte das Ruder hinüber und setzte sich ganz ruhig auf die andere Seite, wobei er meinen Kopf nach unten hielt. Der Baum sauste knapp über mir vorbei. Michael zog erst sein Segel und dann meins an. Der Lärm hörte auf, das Flattern auch, und das Boot lag gerade auf dem grauen Wasser. Ich rutschte an seine Seite. Wenn meine Hände nicht vor Kälte steif gewesen wären, hätten sie gezittert.
    »Beim nächstenmal warten Sie, bis ich ›Wenden‹ sage, ja?«
    meinte er nachsichtig.
    »Verzeihung.«
    »Sie werden es schnell heraushaben. So ist es doch gut, oder?«
    Das Boot lag jetzt ganz gerade, die Segel straff im Wind.
    »Lehnen Sie sich zurück, und genießen Sie es. Sehen Sie, da ist ein Reiher. Die sehe ich oft, wenn ich segle. Dort drüben« – er wies auf eine Felsformation in dem dunklen Wasser – »ist Needle Point. Da treffen zwei Strömungen aufeinander.
    Ziemlich schwieriges Gewässer,

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