Ein sicheres Haus
an meinen Schulterblättern. Ich trank aus der Flasche und gab sie ihm dann zurück.
»Was hältst du von Finn?« fragte ich.
»Was meinst du?«
»Wie kommt sie dir vor?«
»Ich bin kein Arzt, Frau Doktor.«
»Du bist ein menschliches Wesen.«
»Vielen Dank, Sam.«
»Du hast den Tag mit ihr verbracht, Danny. Sag mir, was du denkst.«
»Interessantes Mädchen.«
»Interessantes geschädigtes Mädchen«, sagte ich.
»Du bist die Ärztin.«
»Findest du sie attraktiv?«
Danny runzelte die Stirn.
»Wovon redest du, verdammt?«
»Als Michael mich abgesetzt hat, haben wir durchs Fenster geschaut. Ich habe Finn vor dem Feuer auf dem Boden liegen sehen und mir gedacht, wenn ich ein Mann wäre, könnte ich sie sehr attraktiv finden. Ein reizendes, verführerisches Geschöpf.«
»Du bist aber kein Mann.«
Schweigen. Ich lauschte auf Finns Schritte auf der Treppe.
Dann hörte ich Elsie in der Ferne kichern. Finn würde noch ein paar Minuten wegbleiben.
»Danny, hast du ein Problem damit?«
»Womit?«
»Mit Finn, mit der Situation, du weißt schon.«
Ich spürte Dannys Hand auf meinem Haar. Plötzlich zog er meinen Kopf nach hinten. Ich fühlte seine Lippen auf meinen, schmeckte seine Zunge. Seine linke Hand streichelte meinen Bauch. Ich empfand Verlangen nach ihm. Er hörte auf und lehnte sich zurück. Lächelte boshaft.
»Du weißt, daß ich dir nie sagen würde, wie du dein Leben zu führen hast, Sam, aber …«
»Pssst«, sagte ich.
Draußen hörte ich Schritte, und Finn kam herein und setzte sich in unserer Nähe auf den Teppich vor dem Feuer.
»Elsie schläft schon fast. Ich habe ein paar Salate gemacht«, sagte sie.
»Und Knoblauchbrot. Ich dachte nicht, daß Sie großen Hunger haben würden. Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden.«
»Du hattest ja wohl keine anderen kulinarischen Pläne oder, Sam?« fragte Danny spöttisch.
Finn kicherte.
»Hört sich gut an«, sagte ich.
Danny trank noch ein paar Flaschen Bier. Ich trank Wein, Finn Wasser. Die Salate waren knackig und bunt und zum Verwechseln ähnlich mit denen, die man in Plastikbechern bei Marks and Spencer kaufen konnte. Ich erzählte ein bißchen vom Segeln. Finn stellte ein paar Fragen. Danny sagte fast gar nichts.
Hinterher nahmen wir unsere Kaffeebecher mit ins Wohnzimmer, wo das Feuer heruntergebrannt war. Danny trank noch eine Flasche Bier. Ich legte kleine Scheite Holz nach und blies und blies, bis wieder Flammen aufloderten. Der Wind rüttelte an den Fensterrahmen und klatschte den Regen gegen die Scheiben.
»An solchen Abenden ist es wunderbar, wenn man am Feuer sitzt«, sagte ich.
»Hör mit dem Quatsch auf, Sam«, sagte Danny.
»Was meinst du?«
»Du redest wie eine verdammte Werbung für irgendwas.«
Er ging zum Fenster hinüber.
»Das bist nicht du, Sam. Was machst du hier? Da draußen sind bloß Bäume und Sumpf und Morast und Regen und dann das Meer. Wirkliche Menschen können hier nicht leben, bloß aufgeputzte Dummköpfe, die auf die Jagd gehen.«
»Hör auf, Danny«, sagte ich und bemerkte, daß Finn schockiert war.
»Warum? Was denkst du darüber, Finn? Gefällt es dir, hier draußen zu leben?«
Finn sah aus, als würde sie in Panik geraten.
»Ich weiß nicht«, murmelte sie. »Ich muß noch ein bißchen aufräumen. In der Küche.«
Sie eilte aus dem Zimmer, und ich wandte mich wütend Danny zu.
»Du verdammter Spaßvogel«, zischte ich. »Was spielst du hier eigentlich?«
Danny zuckte mit den Schultern.
»Ich finde das Landleben zum Kotzen. Ich finde die ganze Sache zum Kotzen.«
»Wie konntest du vor Finn so reden? Wie konntest du nur?
Was ist eigentlich los? Bist du sauer wegen Finn oder wegen Michael? Bist du eifersüchtig?«
Danny nahm die Flasche und leerte sie.
»Ich gehe ins Bett«, sagte er und verließ das Zimmer.
Ich blätterte ein paar Minuten in einer Zeitschrift, bis Finn wiederkam.
»Ich entschuldige mich«, sagte ich. »Danny kann manchmal komisch sein.«
»Schon in Ordnung«, sagte Finn. »Ich mag Danny. Ich mag die Art, wie er einfach alles sagen kann. Ich mag, daß er schwierig ist. So grimmige Männer haben mir immer gefallen.«
»Mir nicht.«
Finn lächelte und setzte sich neben mir auf den Teppich vor dem Feuer. Sie war sehr nah. Ich konnte ihre weiche, warme Haut riechen.
»Hast du einen Freund?« fragte ich.
»Wissen Sie, was ich an all dem hasse, was mir passiert ist?«
»Was denn?«
»Daß Leute denken, das Leid hätte mich zu einem zarten, heiligmäßigen
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