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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Geschöpf gemacht, und ständig Angst haben, etwas Falsches zu sagen, wenn ich in Hörweite bin. Nein, ich habe keinen Freund. Als ich fett war, hat sich natürlich keiner für mich interessiert, und ich glaube, ich selbst war auch nicht interessiert. Oder ich hatte Angst. Vielleicht ist das teilweise der Grund, warum ich fett war. Nachdem ich so viel abgenommen hatte und trotzdem nicht aussah wie eine Bohnenstange, fühlte ich mich völlig anders, und ich hatte ein paarmal Sex mit Jungen. Vor allem in Südamerika; das gehörte zu diesem Abenteuer. Na ja« – sie stieß ein rauhes, gekünsteltes Kichern aus –, »Mummy hat immer gesagt, ich wäre noch zu jung, um flachgelegt zu werden Schockiert Sie das?«
    Äh, ja.
    »Nein, natürlich nicht. Ich fürchte, daß ich und all das« – ich wies auf unsere Umgebung – »dir ein bißchen bieder vorkommen müssen.«
    »Aber nein, Sam.« Finn wandte mir das Gesicht zu. Sie streichelte meine Wange und küßte sie ganz leicht. Am liebsten wäre ich zurückgewichen, aber ich zwang mich, es nicht zu tun.
    »Ich finde nicht, daß Sie bieder sind.« Sie setzte sich wieder hin.
    »Früher war ich jemand – mein Gott, ich bin es noch –, der sehr impulsiv handelte. Als Danny vom Landleben sprach, war ich im großen und ganzen seiner Meinung. Aber gleichzeitig ist es für mich nicht langweilig. Ich habe diesen Gedanken im Kopf, der nicht verschwinden will. Da draußen im Dunkeln sind Menschen, die mir mit Klebeband das Gesicht verklebt und mir die Kehle durchtrennt haben, und wenn sie könnten, würden sie es wieder tun.«
    »Nicht, Finn.«
    »Aber es ist mehr als das, Sam. Ich habe da so ein Bild, das immer wieder in meinem Kopf auftaucht. Ich weiß nicht, ob das ein Traum ist. Ich stelle mir dieses Haus vor, mitten in der Nacht. Draußen Licht von Taschenlampen, ein Fenster wird aufgeschoben. Knarren auf der Treppe. Ich wache auf und habe Klebeband über dem Mund und ein Messer an der Kehle. Und dann gehen sie in Ihr Zimmer. Dann in Elsies …«
    »Finn. Hör auf damit!« Ich schrie fast. »Du darfst das nicht sagen. Du hast kein Recht, das zu sagen.«
    Ich hatte einen sauren Geschmack im Mund. Am liebsten hätte ich mich übergeben.
    »Wessen Gefühle schützen Sie?« fragte Finn. »Meine oder Ihre?«
    »Diesmal meine.«

    »Dann wissen Sie mal, wie das ist.«
    »Das wußte ich schon vorher, Finn. Ich wußte es. Es war falsch von dir, das über Elsie zu sagen. Zieh nicht meine Tochter da mit hinein.«
    »Ich will unbedingt, daß sie gefaßt werden, Sam.« Die Szene hatte etwas Unheimliches, Theatralisches an sich.
    »Das wollen wir alle.«
    »Ich will dabei mithelfen. Ich denke immer wieder nach, versuche mich an etwas zu erinnern, irgendwas, was der Polizei einen Hinweis geben könnte. Ein Geruch vielleicht, ein Geräusch. Ich weiß nicht.«
    Mein Gehirn war wie vernebelt, vom Wein, von der Wärme des Feuers, der späten Stunde. Ich gab mir Mühe, mich zu klarem Denken zu zwingen. Versuchte sie, mir etwas zu sagen?
    »Finn, gibt es da etwas, das du verschweigst, das du der Polizei nicht gesagt hast?«
    »Ich glaube nicht. Wenigstens …«
    »Ist dir während des Überfalls sonst noch etwas passiert? Hast du der Polizei alles gesagt?«
    »Warum sollte da etwas sein? Ich wünschte, es wäre so.
    Vielleicht gibt es etwas, dem ich mich nicht stelle. Vielleicht bin ich feige. Sam, ich möchte helfen. Können Sie irgend etwas für mich tun?«
    Sie legte die Arme um mich und hielt mich so fest, daß ich ihren Herzschlag spüren konnte. Verzweifelt klammerte sie sich an mich. Das war unheimlich, es war falsch, es war, als würde ich von jemandem verführt, der wußte, daß ich ihn nicht zurückweisen konnte. Ich legte die Arme um sie wie eine Mutter, die ein Kind tröstet, aber gleichzeitig beobachtete ich mich selbst dabei, fragte mich, was ich da tat. Ich zweifelte an meiner Rolle als Finns Ärztin, zweifelte an meiner Rolle als ihrer Freundin, und jetzt erwartete sie von mir, daß ich eine Art Psychodetektiv oder Seelenfreundin wurde.
    »Sam, Sam«, stöhnte sie, »ich fühle mich so allein und hilflos.« Falls das eine Krise war, wünschte ich mir, sie ein bißchen besser unter Kontrolle zu haben, weniger manipuliert zu werden.
    »Hör damit auf, beruhige dich. Hör auf!« Ich stieß sie zurück.
    Ihre Augen waren verschwollen und naß, und sie atmete heftig.
    »Hör mir zu. Wir sind hier, um dir zu helfen. Du bist sicher.
    Niemand wird dir etwas tun. Klar? Zweitens, es ist gut

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