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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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möglich, daß du teilweise die Erinnerung verloren hast; das kommt bei emotionalen und physischen Traumata vor, und man kann etwas dagegen tun. Aber jetzt, spät in der Nacht, wo wir müde und erschöpft sind, ist nicht die richtige Zeit, um darüber zu reden.
    Man kann etwas tun, aber ich bezweifle, daß ich die richtige Person dafür bin. Aus verschiedenen Gründen. Vor allem gibt es Arten therapeutischer Hilfe, die du von mir nicht bekommen kannst, die du in dieser Umgebung hier nicht bekommen kannst.
    Darüber müssen wir nachdenken. Ich betrachte dich als … Das ist jetzt zu klinisch. Du bist eine liebe Freundin. Aber wir müssen über manches nachdenken. Doch nicht jetzt. Und morgen auch nicht. Jetzt geh ins Bett.«
    »Ja, Sam«, sagte sie mit schwacher, demütiger Stimme.
    »Jetzt gleich«, sagte ich.
    Sie nickte, nahm einen letzten Schluck von ihrem Kaffee und verließ den Raum, ohne noch ein Wort zu sagen. Als sie fort war, entfuhr mir ein tiefer Seufzer. Was hatte ich mir da ins Haus geholt? Und Elsie betete Finn jetzt mehr an als irgend jemanden sonst auf der Welt. Was tat ich uns allen an?
    Ich ging nach oben. Ich ließ meine Kleider fallen, schlüpfte im Dunkeln zwischen die Laken und spürte die Wärme von Dannys Körper. Ich berührte ihn mit den Händen, überall. Ich hatte ihn verzweifelt nötig. Er drehte sich um und drückte mich wild an sich. Er küßte mich leidenschaftlich, seine Zähne gruben sich in meine Lippen. Ich spürte seine Hände rauh auf meinem Körper.
    Ich biß in seine Schulter, um nicht in einer Lust zu schreien, die fast Angst war. Mit einer Hand hielt er meine Hände über dem Kopf, die andere tastete über meinen Körper, als müßte er ihn neu entdecken. »Beweg dich nicht«, sagte er, als ich mich unter ihm wand. »Lieg ganz still.« Und als er in mich eindrang, spürte ich, daß er mich mit all der unterdrückten Leidenschaft, ja Wut des Abends vögelte. Er sprach meinen Namen nicht aus, sah mich aber unverwandt an, und ich schloß die Augen, um seinem Blick zu entgehen. Hinterher fühlte ich mich wie nach einer Schlacht – geschlagen und verwundet. Dannys Atem wurde langsam und regelmäßig, und ich dachte, er sei eingeschlafen.
    Als er sprach, hatte seine Stimme den benommenen, verwischten Ton eines Menschen, der schon im Halbschlaf liegt und keinen klaren Gedanken mehr fassen kann.
    »Hast du dir Finn angesehen?« murmelte er. »Wirklich angesehen? Als die große Ärztin, die du bist?« Ich wollte antworten, aber er sprach weiter, als sei ich nicht vorhanden oder als denke er nur laut. »Oder dreht sich alles nur um Sam und Elsie und das Haus und das Landleben und eine neue beste Freundin?«
    Das Bett knarrte, als er sich umdrehte, und ich spürte seinen Atem auf meiner Wange. »Hast du sie dir angesehen, Sam? Wie heißt das noch bei dir? Objektiv? Wissenschaftlich?«
    »Bist du von ihr besessen, Danny?« Ein schrecklicher Gedanke kam mir in den Sinn. »Ist es das? Hattest du Phantasien über Finn?«
    Ich bekam keine Luft, mein Herz raste. Ich konnte in den Ohren fühlen, wie es klopfte.
    »Du kapierst einfach nicht, oder?«
    Ich spürte, wie er sich von mir wegdrehte.
    »Nacht, Danny.«
    »Nacht, Sam.«
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war er fort.

    21. KAPITEL
    »Darf ich reinkommen?«
    »Solange Sie nicht versuchen, sich einzumischen«, antwortete Finn.
    »Keine Sorge.«
    Meine Küche sah aus wie das Labor eines verrückten Wissenschaftlers, Dampf und Hitze und geheimnisvolles Klappern und Summen. Alles war in Benutzung. Auf der Herdplatte zischte eine Pfanne, und der Deckel eines Topfs klapperte, während Dampf darunter hervorquoll. Eine Schüssel mit Wasser enthielt etwas, das nach eingeweichten Blättern aussah. Die Hühnerbrüste schmorten im Ofen. Finn hackte sehr schnell etwas auf einem Brett, rat-a-tat-tat, wie Trommelwirbel.
    »Was ich nicht verstehe«, sagte ich, »ist, wie du all das gleichzeitig tun kannst. Wenn ich zu kochen versuche, muß ich eins nach dem anderen machen und kriege es doch nicht richtig hin.«

    Ein paar alte Freunde hielten sich in der Gegend auf und kamen zum Abendessen vorbei. Normalerweise hätte ich in einem Schnellimbiß etwas eingekauft oder verschiedene Fertiggerichte in die Mikrowelle geschoben, aber Finn bot mir an, alles ihr zu überlassen; sie würde etwas Einfaches zubereiten. Nachdem wir Elsie zur Schule gebracht hatten, waren wir dreißig Kilometer an der Küste entlang durch die Dörfer gefahren, vorbei an

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