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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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nach einem Block und betrachtete mit demonstrativer bürokratischer Effizienz ein paar Notizen.
    »Sie standen, technisch gesehen, in einem Angestelltenverhältnis zu uns, Sam«, sagte er nach einer Pause.
    Und dann folgte das hilflose Schulterzucken, das ich inzwischen gut kannte. Es war ein Hinweis auf die Unerbittlichkeit des politischen und wirtschaftlichen Klimas, das ihn in eine grausame Zwangslage brachte. Er fuhr fort: »Ich bin natürlich der letzte, der Ihnen das zum Vorwurf machen würde, aber Sie hätten uns sagen sollen, daß Sie eine heikle Aufgabe übernommen haben, die unser Projekt beeinflussen würde.«

    Da ich in Zukunft mit diesem Mann zusammenarbeiten mußte, fiel mir darauf nur schwer etwas ein, das ich mit Anstand sagen konnte. Ich holte tief Luft.
    »Ich habe gedacht, daß ich wie eine gute Bürgerin handle. Die Polizei hat mich um Hilfe gebeten. Sie bestand auf Geheimhaltung. Ich habe es nicht einmal meiner eigenen Familie erzählt.«
    Geoff legte seine beiden Hände behutsam auf die Kante seines viel zu großen Schreibtisches. Ich fühlte mich wie ein Schulmädchen im Büro des Direktors.
    »Es wird in den Zeitungen stehen«, sagte er stirnrunzelnd.
    »Es steht bereits in den verdammten Zeitungen«, gab ich zurück. »In meinem Vorgarten geht es zu wie auf einem Jahrmarkt.«
    »Ja, ja, aber bislang wurde noch nichts geschrieben über, nun ja …«
    Vage wies Geoff um sich. »Über uns, all das, die Station.«
    »Warum sollten sie das erwähnen?«
    Geoff stand auf und ging zum Fenster. Er starrte hinaus. Ich suchte nach einer Möglichkeit, wie ich dieses mühsame Gespräch beenden konnte. Nach einigen Minuten Schweigen hielt ich es nicht mehr aus.
    »Geoff, wenn sonst nichts ansteht, ich habe noch zu tun.«
    Geoff drehte sich plötzlich um, als hätte er vergessen, daß ich im Zimmer war.
    »Sam, darf ich ganz offen reden?«
    »Nur zu«, sagte ich trocken. »Schonen Sie meine Gefühle nicht.«
    Gravitätisch faltete er die Hände.
    »Das ganze Thema der posttraumatischen
    Persönlichkeitsstörungen ist noch sehr umstritten. Das haben Sie mir oft genug gesagt. Wir richten hier ein neues Zentrum dafür ein, und gleichzeitig schließen wir andere Stationen – ich möchte Ihnen gar nicht erzählen, wie viele es in den letzten Monaten waren. Und der Linden-Report – Sie wissen schon, über dieses fotogene sechsjährige Mädchen, das in Birmingham gestorben ist, nachdem wir seine Aufnahme abgelehnt hatten –
    kommt in ein paar Wochen heraus. Ich warte bloß darauf, daß irgendein findiger Medizinjournalist all das mit Ihrer Sache in Verbindung bringt …«
    »Was meinen Sie mit meiner Sache?«
    Geoffs Gesicht hatte sich gerötet und war angespannt.
    »Da ich in den Abgrund schaue«, sagte er, »kann ich es Ihnen ja vielleicht sagen. Wir haben Sie gewählt, um das größte Projekt unter meiner Leitung zu betreuen … , unter meiner Oberherrschaft oder wie immer Sie das nennen wollen. Sir Reginald Lennox aus meinem Gremium sagt, daß posttraumatische Persönlichkeitsstörungen eine Entschuldigung für Schwächlinge und Tunten sind, um seinen Ausdruck zu gebrauchen. Aber wir haben die berühmte Dr.
    Samantha
    Laschen ins Spiel gebracht, um unsere Seite zu vertreten. Und etwa einen Monat vor Übernahme ihres Postens hat sie der Welt gezeigt, was sie leisten kann, indem sie in ihrem eigenen Haus eine traumatisierte Frau behandelt hat. Ein verantwortungsloser Journalist würde vielleicht darauf hinweisen, das Ergebnis von Dr. Laschens persönlicher Behandlung habe darin bestanden, daß die Patientin sich in Dr. Laschens Freund verliebte, daß beide durchbrannten und dann Selbstmord begingen.«
    Geoff machte eine Pause. »Eine solche Zusammenfassung wäre natürlich höchst unfair. Aber wenn ein solches Argument vorgebracht würde, wäre es wirklich sehr schwierig zu behaupten, die Behandlung von Fiona Mackenzie sei einer Ihrer großen Erfolge gewesen.«
    »Ich habe Fiona Mackenzie nicht behandelt. Sie war nicht meine Patientin. Es ging darum, ihr eine sichere – und vorübergehende – Zuflucht zu bieten. Und tatsächlich war ich selbst gegen diese Idee.«
    Ich jammerte und machte Ausflüchte und verachtete mich selbst dafür. Geoff blieb unbeeindruckt.
    »Das ist eine subtile Unterscheidung«, sagte er zweifelnd.
    »Was soll das alles, Geoff? Wenn Sie irgend etwas zu sagen haben, dann sagen Sie es einfach.«
    »Ich versuche, Sie zu retten, Sam, und ich versuche, die Station zu retten.«
    »Mich zu

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