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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Zeit wie ein Fluß über die Ufer tritt und dann in flachen, stehenden Pfützen verweilt. Meine Patienten sprechen oft über ihre nächtlichen Ängste. Und sie berichten auch von dem Entsetzen, aus Träumen zu erwachen und sich dem Tag stellen zu müssen.
    Ich lag ein paar Minuten still, bis die erste Panik sich legte und ich wieder ruhig atmen konnte. Elsie neben mir machte eine abrupte Bewegung, zog mir die Daunendecke weg und wickelte sich darin ein, als wollte sie Winterschlaf halten. Ich sah nur noch ihren Scheitel. Ich streichelte ihn, und er verschwand ebenfalls. Draußen konnte ich die Geräusche des Tages hören: einen bellenden Hund, einen krähenden Hahn, Autos, die an einer scharfen Biegung einen anderen Gang einlegten. Die Journalisten vor meinem Haus waren verschwunden, die Gazetten beschäftigten sich wieder mit anderen Themen, das Telefon klingelte nicht mehr so oft. Das war mein Leben.
    Ich sprang also aus dem Bett und zog leise, um Elsie nicht aufzuwecken, ein kurzes Wollkleid, eine gerippte Strumpfhose und ein Paar knöchelhohe Stiefel an; methodisch fädelte ich die Schnürsenkel in die kleinen Öffnungen und stellte fest, daß meine Hände nicht mehr zitterten. Ich hängte baumelnde Ohrringe in meine Ohrläppchen und bürstete mein Haar. Ich ging nirgends hin, aber ich wußte, wenn ich in ausgeleierten Leggings herumgelaufen wäre, hätte ich mich noch niedergeschlagener gefühlt. Thelma hatte mir einmal gesagt, daß Gefühle oft dem Verhalten folgen und nicht umgekehrt: Benimm dich mutig, und du bekommst Mut; benimm dich großzügig, und du fängst an, deinen gemeinen Neid abzulegen.
    Also wollte ich der Welt die Stirn bieten, als mache sie mich nicht krank vor Panik; vielleicht würde meine Übelkeit dann verschwinden.
    Ich fütterte Anatoly, trank eine Tasse heißen Kaffee und machte eine Einkaufsliste, bevor Elsie aufwachte und in die Küche getrottet kam. Ich gab ihr einen Teller Honig- und Nußkringel, von dem ich den Rest aufaß, und dann eine Schale Müsli, wobei sie mit dem Löffel die Rosinen herausfischte und den nassen, bräunlichen Rest mir überließ.
    »Ich möchte ein Insekt, das sticht, in einem Glas«, sagte sie.
    »In Ordnung.« Das Heim eines stechenden Insekts zu reinigen, ging nicht über meine Kräfte.
    Überrascht sah sie mich an. Vielleicht hatte sie zu bescheiden angefangen, ein schwerer Verhandlungsfehler.
    »Ich möchte einen Hamster.«

    »Ich werde darüber nachdenken.«
    »Ich will einen Hamster.«
    »Das Problem mit Haustieren ist«, sagte ich, »daß man ihre Behausung saubermachen und sie füttern muß, und nach ein paar Tagen wird dir das langweilig. Rate mal, wer es dann machen muß? Und Haustiere sterben.« Ich bereute die Worte, sobald ich sie ausgesprochen hatte, aber Elsie blieb unbeeindruckt.
    »Ich will zwei Hamster, damit, wenn einer stirbt, ich noch den anderen habe.«
    »Elsie …«
    »Oder einen einzigen Hund.«
    Abrupt polterten Briefe durch den Briefschlitz auf den gefliesten Boden.
    »Ich hole sie.«
    Elsie stand vom Tisch auf und brachte einen Stapel Post, mehr als gewöhnlich. Die braunen Umschläge mit den Rechnungen legte ich beiseite. Die schmalen weißen, auf die förmlich mit der Maschine mein Name getippt war und die oben rechts frankiert waren, betrachtete ich argwöhnisch und legte sie auf die andere Seite. Sie waren höchstwahrscheinlich von Zeitungen oder Fernsehsendern. Die handgeschriebenen öffnete ich und sah sie mir rasch an: »Liebste Sam, wenn wir irgend etwas für Dich tun können …« – »Ich war so überrascht, als ich las …« – »Liebe Sam, wir haben in letzter Zeit nichts voneinander gehört, aber als ich las, daß …«
    Und dann war da noch ein Umschlag. Ich wußte nicht, was ich damit machen sollte. Er war in ordentlichen Großbuchstaben mit blauem Kugelschreiber an Daniel Rees adressiert. Ich nahm an, ich sollte ihn an seine Eltern weiterschicken. Ich hielt den Umschlag gegen das Licht und starrte ihn an, als enthalte er den Schlüssel zu einem Geheimnis. Die gummierte Umschlagklappe hatte sich an einer Ecke gelöst. Ich schob den Finger darunter und öffnete sie noch ein bißchen weiter. Und dann ganz.
    »Sehr geehrter Mr. Rees, wir danken Ihnen für Ihre heutige Anfrage bezüglich Wochenendreisen nach Italien. Wir bestätigen hiermit die Buchung von zwei Übernachtungen mit Halbpension in Rom für das Wochenende vom 18.-19. Mai. Die Flugtickets und weitere Einzelheiten senden wir Ihnen in Kürze zu. Bitte

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