Ein sicheres Haus
ängstlich war, sich solche Sorgen um den Tod machte, hatte ein Testament geschrieben.
Plötzlich war ich der festen Überzeugung, daß sie aus einer Eingebung heraus alles mir hinterlassen hatte und das einen weiteren Skandal zur Folge hätte. Langsam drehte ich den Umschlag um. Er war nicht verschlossen. Sie hatte die Klappe nur eingeschoben, ohne sie zuzukleben, wie man es bei Glückwunschkarten macht. Ich wußte, daß das, was ich tat, falsch war, womöglich strafbar, aber ich öffnete ihn und faltete das Blatt auseinander, das er enthielt. Es war ein blaues Formblatt mit der Überschrift »Setzen Sie Ihr eigenes Testament auf«, und sie hatte es einfach ausgefüllt. In dem Kästchen mit der Überschrift »Testament« stand: Fiona Mackenzie, Wilkinson Crescent 3, Stamford, Essex. Unter »Als Testamentsvollstrecker bestimme ich« stand: Michael Daley, Alice Road 14, Cumberton, Essex. In dem Kästchen »Alles, was mir gehört, hinterlasse ich« stand: Michael Daley, Alice Road 14, Cumberton, Essex. Unterschrieben und datiert war das Testament vom Montag, dem 4. März 1996. Sie hatte angekreuzt, daß sie verbrannt werden wollte.
Unten gab es zwei Kästchen mit der Aufschrift
»Unterschrieben vom Verfasser des Testaments in unserer Gegenwart, dann von uns gegengezeichnet«. Mit anderer Handschrift stand darin: Linda Parris, Lam Road 22, Lymne.
Sally Cole, Primrose Villas 3b, Lymne.
Finn war vollkommen verrückt geworden. Finn war verrückt geworden, und dann hatten mein verdammtes Kindermädchen und meine verdammte Putzfrau sich unter meinem eigenen Dach an einer verrückten Verschwörung beteiligt. In meinem Kopf drehte sich alles, und ich mußte mich einen Augenblick auf das Bett setzen. Was für eine Verschwörung denn überhaupt? Eine Verschwörung, das eigene Vermögen nach dem Tod auf eine verrückte Weise zu vermachen? Alte Damen hinterließen ihren Katzen Millionen, warum also nicht Michael Daley? Doch wenn ich daran dachte, wie er als Finns und auch Mrs. Ferrers Arzt versagt hatte, wurde ich wütend. Wer wußte von diesem Testament? Natürlich Linda und Sally, die Verräterinnen, aber sie konnten nicht wissen, ob Finn es nicht vernichtet hatte. Der Gedanke, daß der Reichtum der Familie Mackenzie an Michael Daley gehen sollte, kam mir auf einmal unerträglich vor. Warum sollte ich das Testament nicht vernichten, damit eine gewisse Gerechtigkeit herrschte? Wie auch immer, wenn die Person, die der Testamentsvollstrecker sein sollte, auch das ganze Geld bekam, konnte das kaum legal sein, also würde es vielleicht ohnehin ungültig sein. Während ich darüber nachdachte, sah ich, daß der Umschlag noch ein Stück Papier enthielt. Es war kaum größer als eine Visitenkarte. Darauf stand in Finns unverkennbarer Handschrift: »Es existiert eine Kopie dieses Testaments, die sich im Besitz des Vollstreckers Michael Daley befindet. Unterschrieben: Fiona Mackenzie.« Ich erschauerte und fühlte mich, als sei Finn ins Zimmer getreten und habe mich dabei ertappt, wie ich in ihren Sachen herumschnüffelte. Röte schoß mir ins Gesicht.
Sorgfältig legte ich die beiden Papiere wieder in den Umschlag und diesen in den Karton. Dann sagte ich, obwohl ich allein war, laut: »Was für ein verfluchtes Durcheinander.«
26. KAPITEL
Ich glaube nicht an Gott, ich glaube nicht, daß ich es jemals getan habe, obwohl ich eine vage und verdächtig unvollständige Erinnerung daran habe, neben meinem Bett zu knien und ein Vater-unser-der-Du-bist-im-Himmel-geheiligt-werde-Dein-Name herunterzurasseln. Und ich erinnere mich noch an den Schrecken, den ich als kleines Kind bei dem Gebet empfand, das so geht: »Und sollte ich sterben, bevor ich erwach, so nimm meine Seele in Dein Gemach.« Ich lag in meinem knielangen Nachthemd mit den Rüschen an den Handgelenken und den züchtig bis oben geschlossenen weißen Perlmuttknöpfen im Bett, blinzelte ängstlich in die Dunkelheit, hörte Bobbie im anderen Bett atmen und versuchte, mich nicht vom Schlaf überwältigen zu lassen. Und ich habe den Gedanken an die launische Gottheit immer gehaßt, die auf manche Hilferufe von Menschen reagiert, auf andere hingegen nicht.
Aber als ich im grauen Licht eines Märzmorgens erwachte, ganz am Rand des Bettes, in dem sich Elsie breitgemacht hatte, ertappte ich mich zu meiner Schande dabei, daß ich murmelte:
»Bitte, Gott, lieber Gott, laß es nicht wahr sein.« Aber der Morgen ist unerbittlich. Nicht so schlimm wie die Nächte natürlich, wenn die
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