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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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retten? Wovon reden Sie?«
    »Sam, ich drücke hier keine persönliche Meinung aus. Ich trage nur ein paar diesbezügliche Tatsachen vor. Wenn dieses Gremium in einen öffentlichen Skandal in den Medien hineingezogen wird, dann wird die Sache für alle Beteiligten peinlich.«
    »Ich möchte ja keinen Streit provozieren, aber drohen Sie mir vielleicht? Möchten Sie, daß ich verzichte?«
    »Nein, absolut nicht, nicht im Augenblick. Das ist Ihr Projekt, Sam, und Sie werden es durchsetzen, mit unserer Unterstützung.«
    »Und?«
    »Vielleicht sollten wir uns eine Strategie zur Schadensbegrenzung überlegen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Ich hatte gehofft, daß wir darüber diskutieren könnten, aber dann kam mir die Idee, daß ein wohlüberlegtes Interview mit dem richtigen Journalisten vielleicht das Beste wäre, um Gerüchten zuvorzukommen.«
    »Nein, auf keinen Fall.«
    »Sam, denken Sie darüber nach, sagen Sie nicht einfach nein.«

    »Nein.«
    »Denken Sie darüber nach.«
    »Nein. Und jetzt muß ich gehen, Geoff. Ich muß mit Ärzten reden, damit wir nicht vergessen, daß der Sinn dieses Projekts darin besteht, eine medizinische Dienstleistung anzubieten.«
    Geoff begleitete mich zur Tür.
    »Ich beneide Sie, Sam.«
    »Das ist schwer vorstellbar.«
    »Die Menschen kommen mit ihren Symptomen zu Ihnen, Sie helfen Ihnen, und damit hat es sich. Ich streite mit Ärzten und dann mit Politikern und dann mit Bürokraten und dann wieder mit Ärzten.«
    Ich drehte mich noch einmal um und betrachtete den mexikanischen Wandteppich, das Sofa, den Riesenschreibtisch, den Panoramablick über Sumpfland und Marsch oder was immer zwischen Stamford und dem Meer lag.
    »Das hat auch seine guten Seiten«, sagte ich.
    Wir gaben uns die Hände.
    »Ich muß meinem Aufsichtsrat in die Augen sehen können, ohne allzu verlegen zu werden. Bitte, tun Sie nichts, was mich in Verlegenheit bringen könnte. Und wenn doch, dann sagen Sie es mir vorher.«

    Als ich nach Hause kam, brauchte ich fünfzehn Minuten, um die Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter abzuhören. Ich verlor den Überblick über die verschiedenen Zeitungen, deren Korrespondenten ihre Telefonnummern hinterlassen hatten, und die verschiedenen Euphemismen, die sie gebrauchten, die Angebote von Geschäften, Mitgefühl, Beratungshonoraren.
    Mittendrin befanden sich Nachrichten von meiner Mutter, übertönt von dem Piepsen der vorhergehenden Botschaften, sowie von Michael Daley und Linda, die heute später kommen würde, und von Rupert Baird, der fragte, ob er mit mir über Finns Habseligkeiten sprechen könne.
    Ihre Habseligkeiten. Die Idee irritierte mich und machte mich ganz traurig. Was sollte mit ihren wenigen Sachen geschehen?
    Vermutlich hatten sie für die Ermittlungen keine Bedeutung. Sie bewiesen nichts, waren nur Zeugnis zweier vergeudeter Leben und einer emotionalen Ruinenlandschaft. Unsere Besitztümer sollen ja von einer Generation an die nächste weitergegeben werden, aber mir fiel nicht einmal jemand ein, dem man Finns jämmerliche paar Sachen hätte überlassen können.
    Trotzdem, wenn es nichts zu tun gab, würde ich es wenigstens sofort hinter mich bringen. Ich nahm aus der Küche einen Karton und rannte nach oben in das Zimmer, von dem ich mich ganz bewußt ferngehalten hatte, Finns Zimmer. Noch jetzt hatte ich das Gefühl, irgendwo einzudringen, als ich die Tür öffnete und eintrat. Das Zimmer war erbärmlich kahl, als sei es seit Monaten unbewohnt. Zum erstenmal wurde mir klar, daß Finn nichts von dem Ballast angesammelt hatte, mit dem die meisten von uns durchs Leben gehen. Abgesehen von ein paar Taschenbüchern in einem Regal war nicht ein einziger persönlicher Gegenstand zu sehen, nicht einmal ein Stift. Das Bett war sorgfältig gemacht, der Teppich lag gerade, alle Ablageflächen waren leer.
    Ein muffiger Geruch hing in der Luft, und ich öffnete hastig das Fenster. Im Kleiderschrank gab es nur leere, klappernde Bügel. Ich sah mir die Bücher an: ein paar Krimis, Bleak House, The Woman in White, Gedichte von Anne Sexton, ein zerfledderter Reiseführer durch Südamerika. Ich nahm ihn und warf ihn aus der Tür auf den Treppenabsatz. Ich hatte Lust, nach Südamerika zu fliehen. Irgendwohin zu fliehen. Den Rest legte ich in den Karton, und dabei fiel ein Umschlag aus einem der Bücher auf den Fußboden.
    Ich hob ihn auf und wollte ihn ebenfalls in den Karton legen, doch da sah ich, was da in kindlichen Großbuchstaben stand: MEIN TESTAMENT. Finn, die so

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