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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
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inzwischen absolut zuversichtlich.
    Guinievaire hingegen war geradezu panisch, und wie könnte er sie denn auch beruhigen in diesen rauschenden Minuten? Immerhin kannte er nicht einmal einen einzigen Grund dafür, warum sie kurz davor stand, die Nerven zu verlieren. Was, überlegte sie, spränge sie einfach von diesem übelriechenden Monstrum, liefe nach Hause und kroch zurück in ihr Bett? Dies war ein zu großer Schritt und eine zu große Veränderung! War ihr Leben nicht fantastisch gewesen, viel zu fantastisch, um es mit einem Mal aufzugeben, nur weil sie beweisen wollte, dass sie sehr erwachsen war und sehr unabhängig? Sie kannte ihn nicht einmal wirklich, wozu hatte er sie nur gedrängt mit seinen treuen Augen und seinen zahlreichen Versprechen?
    „Was sollen wir tun, wenn wir scheitern?“ sagte sie angestrengt beiläufig, denn er durfte keinesfalls bemerken, was soeben in ihr vor sich ging. Ihre Angst würde jeden Moment wieder verflogen sein und wenn sie dies nicht war, dann würde sie sich schlicht dazu zwingen, sie zu vergessen. Es war entschieden, sie konnte nichts mehr daran ändern und sie durfte nichts mehr daran ändern. In wenigen Stunden würde es sogar geschehen sein.
    „Dann finden wir einen neuen Weg,“ meinte Tony überzeugt. Wie sollten sie denn noch scheitern? Sie hatten nur noch wenige Meter vor sich, niemand folgte ihnen und keiner wusste es, Tony war also überglücklich, er wollte schreien, jubeln, feiern, wie alle anderen in London, weil sein Plan aufgegangen war und nur noch einige, wenige Meter vor ihnen lagen.
    „Dies alles ist furchtbar und außerdem friere ich,“ stellte Guinievaire fest. Rechts und links von ihnen gab es derweil immer weniger Häuser, denn sie hatten die letzten Ausläufer der Stadt erreicht. Was würde er wohl sagen, bat sie ihn darum, einfach wieder umzukehren? Nein, befahl sie sich wieder aufs Neue, das durfte sie nicht tun, einfach weil sie das Richtige tat und weil sie ihn heiraten wollte, oder etwa nicht? Gestern noch hatte sie es ganz sicherlich gewollt, oder etwa nicht? Sie liebte ihn oder sie glaubte es zumindest. Mit einem Mal waren ihre Gefühle und die Zukunft sehr undeutlich vor ihren Augen, und dennoch, alles, was ihr jemals wichtig gewesen war, ließ sie in diesem Augenblick einfach achtlos hinter sich. Sie hatte sich noch nicht einmal wirklich verabschiedet, wo sie doch zugleich nicht wusste, wann sie ihre liebsten Menschen wiedersehen würde: Vicky, Cici, ihre Freunde, Alexander. Als sie Tonys Antrag angenommen hatte, da war sie zumindest davon überzeugt gewesen, dass er ihr gut tun würde, jedoch fühlte sie sich nicht gut in diesem Moment. War dies denn überhaupt ein Moment, in dem man sich gut fühlen sollte? Wie fühlte Tony sich? Sie liebte ihn oder sie glaubte es zumindest.
    „Guinievaire, ich werde uns nicht aufgeben, niemals,“ beteuerte er, wobei er schließlich den panischen Monolog in ihrem Kopf störte mit einem Satz, der mehr als typisch war für Tony. Jene überschwängliche, vollkommen realitätsferne Romantik, die er zuweilen an den Tag legte, wo er doch sonst im Grunde der vernünftigste Mensch war, den sie jemals gekannt hatte, er hatte sie schon zuvor viel zu oft unter Beweis gestellt. „Wir werden uns weiter mühen bis wir endlich verheiratet sind, und bitte glaube mir, das wird schon morgen sein.“
    Kaum hatte er diesen Satz gesagt und dabei fest ihre Hand gedrückt, gerade so als hätten sie einzig auf den herrlich dramatischsten Zeitpunkt gewartet, tauchten plötzlich vier riesige, stämmige Männer auf Pferden und mit Waffen aus dem Dunkel der Schatten auf, die exakt am richtigen Ort und zur absolut richtigen Zeit auf sie gewartet hatten. Man war ihnen also nicht gefolgt, weil man lange gewusst hatte, welchen Weg Tony und Guinievaire einschlagen würden, und wortlos, jedoch mit vier Gewehrläufen direkt auf sie gerichtet, wurden sie angehalten. Dabei wurde das Paar, ohne noch einmal einen letzten Blick aufeinander werfen zu können, bestimmt und schnell voneinander getrennt und Guinievaire wurde sogleich merkwürdig vorsichtig auf eines der fremden Pferde gehoben.
    Zwei der Männer brachten sie fort. Sie blickte nicht zurück und sie hörte auch nicht, was hinter ihr geschah, denn ihr Kopf rauschte die ganze Zeit hindurch unerträglich laut. Was war geschehen? Sie verstand es nicht, aber zugleich war sie trotz ihrer verirrten Gedanken von zuvor keinesfalls glücklich darüber. Alles passierte unfassbar schnell,

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