Ein sinnlicher Schuft
zu müssen.«
Miss Filby gab ein Geräusch von sich, das ein wenig wie »O bitte!« klang.
Colin starrte sie finster an. »Bitte entschuldigen Sie Miss Filby, Ardmore. Sie ist ein wenig voreingenommen, wenn es um Miss Marchant geht.«
Der untröstliche verlassene Liebhaber blinzelte sie an. »Ach, hallo Pru. Habe dich gar nicht gesehen. Siehst gut aus.«
Miss Filby machte einen Knicks und lächelte. »Hallo, Mylord. Wie geht’s?«
Er schien zusammenzuklappen, ließ sich schwer auf die Fußbank vor dem Sofa fallen. »Sie ist auf und davon, Pru.«
»Ja, Mylord. So was tut sie eben.«
Er schüttelte den Kopf. »Aber nicht mit mir. Wir haben eine besondere Beziehung, sie und ich.«
Sie biss sich auf die Unterlippe, Colins Gesicht sprach Bände trotz seines heftigen Bemühens um eine gleichgültige Miene, während Bertram Ardmore weiterhin unglücklich schniefte. »Ich weiß, was die Leute über mich erzählen«, sagte er. Seine geröteten blassblauen Augen blickten zornig. »Ich kann nichts dafür, dass ich hübsch aussehe. Trotzdem bin ich ein richtiger Mann und liebe Chantal. Und sie liebt mich. Sie hat bloß Angst, wissen Sie. Angst, ich könnte sie nicht beschützen.«
»Sie beschützen?«, fragte Colin. »Wovor?«
Ardmore wandte den Blick ab. »Schulden, wenn Sie es so genau wissen müssen. Ziemlich hohe Schulden.« Wieder verzog er das Gesicht. »Ich habe sie davon zu überzeugen versucht, dass Baldwin ein Schuft ist, dass er nie wirklich für sie sorgen wird. Sie ist so zerbrechlich, so empfindsam…«
Miss Filby verdrehte die Augen. »Ungefähr so zerbrechlich wie eine schmiedeeiserne Katze.« Sie sprach zu leise, als dass der junge Lord sie gehört hätte, aber Colin schaute sie so finster an, dass sie fortan lieber den Mund hielt.
Lord Bertram ließ jetzt seinen Tränen ungehindert freien Lauf. Verwirrt von diesem Gefühlsausbruch hob Colin den Blick zu dem Porträt an der Wand, das einen attraktiven, breitschultrigen Mann mit kantigem Kinn und stechend blauen Augen zeigte. »Ich erinnere mich an Baldwin. Er ist ein Spieler und schlechter Verlierer, kann allerdings auch sehr charmant sein, wenn er will.«
»Und ihm gehören der Titel und das ganze Land«, murmelte Bertie unglücklich. »Die Frau, die meinem Bruder widerstehen kann, ist noch nicht geboren worden. Arme Chantal. Welche Möglichkeit blieb ihr schon? Er hat sie mit Versprechungen geblendet und auf diese Weise gefügig gemacht.«
Es gab einmal eine Zeit, da hätte Colin ihm aufs Wort geglaubt. Jetzt konnte er solche Leichtgläubigkeit nur bedauern. Nicht dass es etwas an seinem Plan änderte, denn ihm ging es schließlich um Melody.
Er warf Prudence, die neben ihm stand und Baldwins Porträt betrachtete, einen forschenden Blick zu. Sie schien gänzlich unbeeindruckt. »Für mich sieht er aus, als würd man sich besser nich auf ihn verlassen«, murmelte sie.
Wie es schien, war die Frau, die sich von seinem hübschen Gesicht und seinem noch hübscheren Vermögen nicht beeindrucken ließ, doch bereits auf die Welt gekommen.
»Chantal ist leicht zu beeindrucken«, sagte Colin trotz seiner Zweifel mit fester Stimme. »Sie trägt keine Schuld.«
Er hörte, wie Pru einen tiefen Seufzer ausstieß. »Aye, Sir. Was immer Sie sagen, Sir.«
»Gut. Also, höchste Zeit, dass wir fortkommen. Wir müssen sie einholen und verhindern, dass sie ihn heiratet.«
Sie runzelte die Stirn. »In einer kleinen, langsamen Kutsche? Mit zwei Kindern?«
»Schauen Sie in jedem Gasthaus am Weg nach«, schlug Bertie vor. »Baldwin hat noch nie ein gutes Bier stehen gelassen.«
Colin nickte. »Ich bedaure Ihren Verlust, Ardmore, aber vielleicht tröstet es Sie zu erfahren, dass Ihr Bruder sie nicht bekommen wird.« Mit einer knappen Verbeugung machte er auf dem Absatz kehrt. »Miss Filby, wenn Sie die Güte hätten.«
Er drängte zum Aufbruch, denn es würde nur noch wenige Stunden hell sein. Und die musste er nutzen, selbst wenn die Reise anstrengend würde. Miss Filby und die Kinder mussten es eben aushalten.
Nichts zählte im Vergleich zu Melodys Zukunft.
Siebzehntes Kapitel
W ährend sie ihrem Arbeitgeber aus dem Herrenhaus des Earl of Ardmore folgte, seufzte Pru resigniert bei dem Gedanken, weiterhin unterwegs sein zu müssen. Zum wiederholten Male verfluchte sie Chantal.
»Hast du’s gekriegt?« Evan blickte eifrig hoch, als seine Schwester den Kutschenschlag öffnete. »Hast du dein Geld von ihr bekommen?«
Pru kletterte hinein und schüttelte
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