Ein Sixpack zum Verlieben (German Edition)

Stunde, zu der er bei Harry zur Krisensitzung gerufen wurde, längst vorüber ist. Soll sie ihn auf dem Handy anrufen? Sofort verwirft sie diese Idee wieder. Kein Mensch mag es, wenn ihm nachspioniert wird. Sie weiß ja, mit wem er zusammen ist, und das Problem, Moritz so kurzfristig zu ersetzen, kann bestimmt nicht so schnell gelöst werden. Das Leben und Arbeiten der Sixpackboys ist folglich nicht immer Eitel, Freude, Sonnenschein. Irgendwie tröstlich, dass der Promialltag dem der Normalsterblichen ähnlich sein kann.
    Laura wird es zu warm in der Sonne, und sie sucht vergeblich innen am Fenster nach einem Schalter für eine Markise, die Schatten spenden könnte. Etwas gelangweilt nimmt sie auf einem der roten Sofas Platz.
    Wie Sven gesagt hat, liegen auf dem Tisch vor ihr viele, verschiedene Zeitschriften. Keine trifft so wirklich ihren Geschmack. In erster Linie handelt es sich um Sportmagazine oder die gesunde Ernährung betreffend. Es leuchtet ein, dass Sven auf sein Essverhalten achten muss, nicht nur, um die Topfigur zu halten, sondern um genügend Energie zu tanken, die anstrengenden Tanznummern jeden Tag zu meistern. Sie muss lächeln, als sie eine Zeitung mit gesunden Rezepten durchblättert. Was würde Sven wohl von ihr als Köchin halten, wenn er wüsste, dass sie ihrem Schwiegermonster zum Frühstück immer einen Krapfen mit Spiegelei zubereitet? Er würde sicher an ihrem Verstand zweifeln. Recht hätte er, und sie beschließt, ab sofort nicht mehr als Helenes persönliche Sklavin zu fungieren.
    Den Ernährungsratgeber zuschlagend, schweifen Lauras Augen weiter über den Tisch und entdecken ein Album. Einen kurzen Augenblick zögert sie, dann siegt ihre Neugier. Sven hat ausdrücklich betont, dass sie die Dinge auf dem Tisch ansehen darf, warum nicht auch das Fotoalbum? Gespannt schlägt sie die erste Seite auf und liest die Überschrift von dem, was sie anschließend beim Weiterblättern erwartet:
     
    Die Königinnen der Nacht
     
    Soll sie wirklich ihre Vorgängerinnen betrachten und damit die Einmaligkeit ihres eigenen Dates infrage stellen? Noch lässt sich das Album zuschlagen, und die Illusion, auch für Sven etwas ganz Besonderes gewesen zu sein, bleibt für alle Ewigkeit erhalten. Sofort ist der unvergessliche Abend auf der Jacht präsent. One moment in time wird Laura ihn nennen, was ihn in ihrem Herzen für immer unsterblich macht. Auf der anderen Seite ist es egal, wie Sven mit den anderen Frauen das Date verbracht hat. Tatsache ist, dass offensichtlich keine bei ihm für länger punkten konnte.
    Lauras zunächst zurückgezogene Hand blättert mechanisch die nächste Seite um. Erleichtert stellt sie bei der Begutachtung der ersten Königinnen fest, dass sie keine gefährliche Konkurrenz bedeuten. Entweder sind sie nicht attraktiv oder ziemlich alt. Die nächste Seite lässt die Betrachterin jedoch auf der Stelle erstarren. Auf lose eingelegten Fotos ist ihr eigenes Date zu sehen, sie selbst mit Sven vor der Stretchlimousine. Dazwischen befindet sich eine Notiz, die ihr einen gehörigen Schlag in den Magen versetzt:
     
    Hallo Sven,
    wie versprochen hier schon mal die ersten Abzüge für Deine Trophäensammlung. Diesmal hast Du ja wahres Schwein mit Deiner Begleitung gehabt. Die Tussi poliert Deine PR gehörig auf.
     
    Mit besten Grüßen, Fabian
    Magazin Promitreff
     
    Schwein gehabt? Mit der Tussi ?, verunglimpft dieser ungehobelte Klotz von Möchtegernpromifotograf ihr Date mit Sven.
    Einer augenblicklichen Ohnmacht nahe, realisiert die Geschockte, dass es sich bei dem Albuminhalt tatsächlich um eine Trophäenanhäufung handelt, bei der sie als vorläufiges Schlusslicht nichts weiter darstellt, als eine Frau von vielen. Der Abend mit ihr war nichts Außergewöhnliches für Sven. Er hat ihr gegenüber seine ganz normale Show abgezogen, dieser Mistkerl.
    Laura möchte schreien, toben, wüten, brüllen, aber stattdessen hockt sie wie zur Salzsäule erstarrt auf dem Sofa und kann gar nichts tun. Das Schrillen des Zimmertelefons weckt unfreiwillig ihre Lebensgeister und lässt sie zusammenfahren. Es ist bestimmt Sven, der sie vertrösten will. Auf keinen Fall wird sie das Gespräch annehmen. Hektisch klappt sie das Album zu und legt es exakt dorthin, wo es vorher gelegen hat.
    Jetzt heißt es, von diesem Ort in Schallgeschwindigkeit zu verschwinden. Doch wie soll Laura die Suite verlassen können? Sie hat keine Chipkarte für den Fahrstuhl. Fieberhaft schwirren sämtliche Alternativen in