Ein skandaloeser Kuss
schrecklichen Moment glaubte sie, er wolle sie von sich stoßen, doch dann schlang er ihr die Arme um die Taille und zog sie an sich. Er vertiefte den Kuss, und als er mit der Zunge ihre Lippen teilte, hieß sie ihn mit ihrer willkommen. Die Beine drohten unter ihr nachzugeben, und sie schmiegte sich an ihn und presste ihre Brüste gegen seinen muskulösen Oberkörper.
Und wie er küssen konnte! Das Blut rauschte ihr in den Adern, prickelnde Schauer rannen ihr über die Haut. Gegen die unwillkommenen Aufmerksamkeiten ihres ehemaligen Dienstherrn hatte sie sich mit aller Empörung gewehrt, doch bei Lord Bromwell sehnte sie sich danach, dass er sie auf seine starken Arme hob und zum Bett trug und …
Als könnte er ihre Gedanken lesen, schob Lord Bromwell sie weiter ins Zimmer. Ohne den Kuss zu unterbrechen, machte er die Tür hinter ihnen zu, während er mit der freien Hand ihre Brust umfasste.
Hitze breitete sich in ihr aus, und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie ließ ihre Finger unter sein Hemd gleiten, streichelte seine warme Haut, folgte dem Verlauf der Muskeln, die sich darunter wölbten. Nie zuvor war sie einem Mann so nahe gewesen, hatte noch nie den Wunsch nach solcher Nähe verspürt, doch jetzt drängte es sie mit jeder Faser, ihm die Kleider vom Leib zu reißen und ihre Lippen auf seine nackte Haut zu pressen.
Sie schloss die Finger um den Stoff seines Hemdes, um es ihm aus dem Hosenbund zu ziehen – da unterbrach Lord Bromwell den Kuss plötzlich und löste sich nach Luft ringend von ihr.
Seine Brust hob und senkte sich unter seinen raschen Atemzügen, und er sah sie mit großen Augen an. „Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, aber ich bitte Sie ausdrücklich um Vergebung“, sagte er leise und furchte die Stirn. „Als zivilisiertes menschliches Wesen sollte ich eigentlich imstande sein, meine elementaren Triebe im Zaum zu halten.“
Seine elementaren Triebe? Diesmal war sie es gewesen, die sie unbeherrscht ausgelebt hatte.
Er ging zur Tür und öffnete sie vorsichtig. „Ich wünsche Ihnen alles Gute, Mylady.“
„Das wünsche ich Ihnen auch, Mylord“, wisperte sie kaum hörbar und sah ihm nach, als er aus dem Zimmer schlüpfte.
Blicklos starrte Nell aus dem Fenster. Noch nie in ihrem Leben hatte sie eine solche Scham empfunden, nicht einmal, als sie Lord Sturmpole bestohlen hatte.
Was war es nur, das sie jedes Mal überkam, wenn Lord Bromwell in der Nähe war? Wie konnte sie ein derart liederliches Verhalten an den Tag legen und das Risiko außer Acht lassen, das seine Berühmtheit für sie beinhaltete?
Sie wollte sich auf die Bettkante setzen, da klopfte es, und gleich darauf trat Mrs Jenkins mit einer Kanne heißem Wasser ins Zimmer.
„Guten Morgen“, sagte sie fröhlich und stellte das dampfende Wasser auf dem Waschstand ab. „Bereit für einen frühen Aufbruch, wie ich sehe. Das Frühstück ist gleich fertig, ich beziehe nur schnell das Bett, wenn Sie nichts dagegen haben.“
Nell trat an den Waschstand.
„Ein ansehnlicher Kerl, nicht wahr?“ Die Wirtsfrau knöpfte den Kissenbezug auf.
„Wer?“, fragte Nell, obwohl sie genau wusste, von wem die Rede war.
„Na, Lord Bromwell, wer denn sonst?“, erwiderte Mrs Jenkins lachend. „Sie sind wirklich ein Glückspilz, meine Liebe.“
Nell erstarrte. „Wir hatten in der Tat Glück, dass Seine Lordschaft bei dem Kutschenunfall dabei war. Ohne seine Anweisungen hätten wir Thompkins womöglich falsch gelagert und ihm bleibenden Schaden zugefügt.“
Die Wirtin lächelte wissend. „Das meinte ich nicht. Und Sie müssen mich nicht für dumm verkaufen, meine Liebe. Er hat noch nie eine Frau mit hierher gebracht, genau wie seine Freunde übrigens.“ Sie lachte auf. „Das sind ein paar Gauner, sag ich Ihnen. Nun ja, außer dem Anwalt vielleicht, der kommt mir ein wenig streng vor – wie ein ganz Unerbittlicher. Kaum zu glauben, dass er verheiratet ist, aber ich hätte auch nie gedacht, dass Lord Bromwell mit seiner …“
„Ich fürchte, hier liegt ein Irrtum vor, Mrs Jenkins“, unterbrach Nell den Redeschwall der Wirtin. „Lord Bromwell hat mich nicht mit hierher gebracht , und ich bin auch nicht seine Was-auch-immer. Ich saß nur zufällig in derselben Postkutsche wie er.“
Mrs Jenkins richtete sich auf, und an ihrer Nasenwurzel erschien eine Falte. „Sagen Sie, was Sie wollen, mein Mädchen, die knarrenden Dielen im Haus erzählen eine andere Geschichte. Sie waren nicht allein in diesem
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