Ein skandaloeser Kuss
ich Anzeige gegen Sie wegen der Zerstörung meines Eigentums.“
„Es tut mir leid, dass deine Präparate zerstört sind.“ Nell band Sturmpoles Handgelenke auf dem Rücken zusammen. „Ich musste die Glasbehälter nach ihm werfen, um ihn auf Abstand zu halten.“
„Dann sind sie für einen guten Zweck zerstört worden.“ Wenn sie Nell gerettet hatten, verspürte er kein Bedauern. „Hältst du kurz den Pfeil, dann verknote ich die Fessel. Auf See habe ich darin einige Kunstfertigkeit erworben.“
Vorsichtig nahm Nell ihm den Giftpfeil ab.
Bromwells Wut verrauchte, und der Anflug eines Lächelns huschte über seine Züge, als er ihren ängstlichen Gesichtsausdruck sah. „In Wirklichkeit ist er nicht giftig. Das einzig Gefährliche an ihm ist die scharfe Spitze – die ich Sturmpole ohne mit der Wimper zu zucken in die Kehle gerammt hätte, wäre er zum Ziel gelangt.“
Sturmpole gab ein Stöhnen von sich, während Bromwell ihn vor sich her zur Tür stieß und plötzlich stehen blieb, als Drury auf der Schwelle erschien.
Der Baronet hätte nicht überraschter aussehen können, wäre ihm verkündet worden, Nell sei die Königin von England. „Du meine Güte! Was ist denn hier passiert?“
„Der Mistkerl hat Nell angegriffen. Ich will, dass er verhaftet und des versuchten Mordes angeklagt wird.“
Drurys Miene zeigte bereits wieder die übliche Gleichmut. „Selbstverständlich.“
Er machte einen Schritt in die Hütte, sah die Bescherung auf dem Boden, und blieb stehen. „Überlass ihn mir, ich verfrachte ihn nach Granshire.“ Er wandte sich zu seiner Gattin um, die ihm gefolgt war. „Juliette, würdest du dich um Miss Springley kümmern?“
„Das übernehme ich.“ Bromwell wischte sich die Hände an den Hosen ab. Wie durch ein Wunder hatte er keine schlimmen Verletzungen davongetragen. „Juliette, könntest du vorausgehen und mir ein paar Diener zu Hilfe schicken? Und lass den Apotheker rufen.“
Juliette eilte davon, während Drury den durchnässten, finster dreinblickenden Sturmpole fest am Oberarm packte.
„Kommen Sie nicht auf den Gedanken zu fliehen, Mylord.“ Er zog Sturmpole aus der Hütte. „Meine Hände mögen verkrüppelt aussehen, aber ich versichere Ihnen, ich bin durchaus in der Lage, Sie außer Gefecht zu setzen, und das mit Freuden.“
Bromwell schloss die Tür hinter ihnen, trat zu Nell und zog sie in seine Arme.
„Wenn du nicht gekommen wärst …“, murmelte sie und lehnte sich an ihn.
Im Bewusstsein dessen, was hätte passieren können, drückte er sie an sich. „Es tut mir leid, dass ich nicht früher hier war.“
„Du kamst, ehe es zu spät war.“ Sie schluchzte erstickt. „Ich hatte solche Angst.“
„Und trotzdem hast du dich gewehrt – und erfolgreich!“ Liebevoll strich er ihr über das feuchte, verfilzte Haar, über die Maßen erleichtert, dass ihr nichts passiert war. „Du bist wirklich eine bemerkenswerte Frau.“
Nun, da die Anspannung wich und der Schock sich langsam legte, begann sie am ganzen Körper zu zittern.
„Lass uns zusehen, dass wir so schnell wie möglich nach Granshire Hall kommen.“ Bromwell legte ihr den Zeigefinger unter das Kinn und hob ihr Gesicht. „Die Platzwunde an deiner Lippe muss versorgt werden. Hast du sonst noch irgendwelche Verletzungen?“
„Ich glaube nicht … Justinian, ich habe fast all deine Spinnenpräparate zerstört.“
„Mach dir keine Gedanken darum.“ Er empfand keinerlei Bedauern darüber, solange sie sich nur hatte retten können. „Ich sammle neue. Mein Vater war so großzügig, das noch fehlende Geld für meine Expedition beizusteuern – vermutlich wegen der höchst außergewöhnlichen jungen Frau, die sich für mich eingesetzt hat.“
„Oh, Justinian!“, rief Nell aus. „Das ist ja wundervoll!“
Dann schluchzte sie plötzlich auf, und die Tränen begannen zu fließen. Bromwell hob sie auf seine Arme, um sie nach Hause zu bringen. Er liebte sie, bewunderte sie, presste sie an sich.
An sein Herz.
Wo sie hingehörte.
Jetzt und für alle Zeit.
Justinian trug sie den ganzen Weg nach Granshire Hall, bis in ihr Zimmer. Die Treppe hinaufeilend, rief er nach der Dienerschaft und erteilte Befehle, ganz der Aristokrat, der er war.
Er musste müde sein, aber Nell war zu erschöpft, um zu protestieren, und es kümmerte sie nicht, was die Diener dachten. Dena kam herbeigeeilt, und ihrer Miene nach zu urteilen fehlte nicht viel dazu, dass sie Lord Bromwell befahl, ihr Nell zu überlassen,
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