Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
Beklemmung ließ nach, und dankbar erwiderte sie sein Lächeln, bevor sie zu ihm ging.
Er stand mit den anderen Männern zusammen, die ihm zu seiner Treffsicherheit gratulierten. Während Susanna sich eine Erfrischung von einem Tisch nahm, verfolgte sie das Gespräch der Männer.
»Tyler«, sagte Leo gerade, »ich bin wirklich beeindruckt davon, wie gut Sie mit Pfeil und Bogen umgehen können.«
»Danke, Wade. Ich habe mir damit als Junge oft die Zeit vertrieben.«
»Nun, das erklärt, warum es Ihnen leichtfiel, meine Versuche, Sie abzulenken, zu ignorieren.«
Die Gentlemen fingen zu lachen an, und Susanna fragte sich, was ihr wohl entgangen war.
»Sie kennen mich zu gut«, erwiderte Tyler umgänglich. »Die Proben zu erwähnen, die Mr Darwin von seiner Reise um die Welt nach England geschickt hat, war fast wie ein linker Haken. Sie werden in Cambridge als Sensation betrachtet.«
Wieso wusste Leo davon? Unterhielt er etwa irgendwelche Beziehungen zu der Universität? Wenn sie ihren Vater das nächste Mal sah, wollte sie ihn fragen, ob er etwas über die Wade-Brüder wusste.
»Jetzt habt Ihr Naturforscher zumindest den Beweis, dass das Schnabeltier kein Schwindel war«, fuhr Leo fort.
»Stellen Sie mich nicht mit diesen Zynikern auf eine Stufe, Wade«, erwiderte Tyler hastig. »Allein die Vorstellung, dass jemand auf die Idee kommen könnte, einen Entenschnabel an einen Biberpelz zu nähen, ist ganz großer Mumpitz.«
»Ich bin mir sicher, Miss Leland wird erleichtert sein, dass Sie sich von mir nicht haben ablenken lassen. Sie hat Ihre Meisterschaft im Bogenschießen ausgiebig bewundert.«
Susanna erstarrte. Aus welchem Grund erwähnte Leo ihren Namen?
»Aber im Gegensatz zu Ihnen halte ich das Fechten für die einzig wahre Kunst, in der sich Männer messen können«, fügte Leo hinzu.
Verblüfft hörte sie, wie Tyler selbstbewusst antwortete. »Auch ich schätze diese altehrwürdige Kampfform sehr. Vielleicht erweisen Sie mir ja die Ehre, den Degen mit mir zu kreuzen?«
Die Gabel, nach der Susanna gerade gegriffen hatte, entglitt ihren Fingern und fiel auf den Tisch zurück.
»Tyler, es wäre mir ein großes Vergnügen, mit Ihnen zu fechten.«
Wollten die beiden etwa um sie kämpfen? Wie aufregend! Susanna konnte nicht verhindern, dass sie sich durchaus geschmeichelt fühlte. So etwas erlebte man schließlich nicht jeden Tag. Oder auch nie.
Nur wusste sie nicht, ob sie würde zuschauen können.
Kapitel 9
Die frühsommerliche Hitze nahm stetig zu. Es war zu heiß, um sich im Freien aufzuhalten, und so verlegte Susanna die Malstunde in die Galerie. Dort sollten sich die jungen Damen ein Gemälde vornehmen und davon ein Aquarell anfertigen. Wichtig sei, schärfte ihnen Susanna ein, dass die Farben mit dem Original übereinstimmten. Sie ging von Schülerin zu Schülerin und gab Tipps für die richtige Mischung der Farbschattierungen. Sie blickte in eifrige Gesichter, hörte das leise Summen der Stimmen, doch sie selbst vermochte nicht jene Zufriedenheit zu empfinden wie sonst bei solchen Anlässen. Zu sehr beschäftigte sie das Degenduell zwischen Leo Wade und Tyler.
»Susanna?«
Sie zuckte leicht zusammen, als Caroline ihren Namen rief, ging dann hinüber zu ihr ans andere Ende der Galerie, weit entfernt von den anderen Mädchen. Die Bramfield-Tochter war damit beschäftigt, Hunde und Pferde einer Jagdszene zu skizzieren.
»Du hast ein schwieriges Thema gewählt«, meinte Susanna, »aber ich bewundere, wie du …«
Caroline unterbrach sie. »Jetzt, wo wir alleine sind, will ich mich über etwas anderes mit dir unterhalten.«
Susanna zog die Augenbrauen hoch. »Ach?«
»Dein … Disput mit Mr Wade heute beim Mittagessen war sehr erhellend.« Sie biss sich auf die Unterlippe, als würde sie ein Lächeln unterdrücken.
Susanna stieß einen Seufzer aus. »Du kannst mich gerne damit aufziehen – ich bin nicht beleidigt.«
Caroline kicherte, den Blick verlegen auf ihr Bild gerichtet. »Als du ihm seine intellektuellen Mängel vorgehalten hast, wäre ich fast vom Stuhl gekippt!«
»So krass habe ich es wiederum nicht ausgedrückt … Ich wollte ihn auch nicht beleidigen, sondern mehr zum Nachdenken anregen.«
»Mr Wade?«, fragte Caroline. »Es dürfte ihn sehr erstaunt haben. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass schon viele Frauen ihm so etwas gesagt haben.«
»Umso schlimmer.«
Caroline lachte wieder. Diesmal so laut, dass Aurelia Norton und Mary Greenwich neugierig in ihre Richtung
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