Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
Stöhnen klang. All seine Sinne erwachten zum Leben, jede Faser seines Körpers vibrierte. Trotzdem durfte er sich nicht bewegen, denn das könnte ihn verraten. Und er war bereit, vieles auf sich zu nehmen, um Susanna beim Baden zuzuschauen.
Sie griff nach dem Lappen, begann sich zu waschen. Obwohl sie ihm den Rücken zukehrte, konnte er die schimmernde Rundung ihrer Brust sehen, wenn sie die Hand nach der Seife ausstreckte, die auf dem Stuhl neben ihr lag. Er wollte sehen, ob ihre Brustwarzen so dunkel waren wie die der Frau auf dem Gemälde, doch er hatte kein Glück.
Jetzt waren die Haare an der Reihe. Mit einem kleinen Eimer goss sie sich Wasser über den Kopf, seifte die Haare ein und achtete darauf, auch ja jede Strähne zu erwischen. Ihm gefiel die anmutige Biegsamkeit ihrer Arme, und er stellte sich vor, wie sie sich um seinen Körper schlangen und ihn festhielten.
Vielleicht hatte sie es ja bereits mit Roger Eastfield getan. Leo vermochte sich nicht vorzustellen, dass ein Mann Stunden mit einer nackten Frau verbrachte, ohne dass es zu einem engeren Kontakt kam. Außer natürlich der Künstler hatte mit Frauen nichts im Sinn. Doch in Eastfields Darstellung seiner Nackten lag eine solche Huldigung an den weiblichen Körper, dass er sich das nicht vorstellen konnte.
Durchaus möglich also, dass Susanna keine Jungfrau mehr war. Aber spielte das für ihn eine Rolle? Schließlich hatte er selbst es ziemlich wüst getrieben und durfte in dieser Hinsicht keine Ansprüche stellen. Und doch wünschte er sich gegen alle Einsicht, er möge der erste Mann für sie sein.
Jetzt spülte sie das Haar mit dem letzten Eimer sauberen Wassers aus. Bald würde es vorbei sein. Er rechnete damit, dass sie schnell aus der Wanne sprang und sich etwas überwarf, falls er doch wach werden sollte. Aber sie blieb sitzen, erst still und mit hochgezogenen Schultern, dann bedeckte sie ihr Gesicht und begann stumm zu weinen. Er erkannte es nur daran, dass sie am ganzen Körper zitterte, und fühlte sich schrecklich hilflos. Gleichzeitig überkam ihn das traurige Gefühl eines Verlusts. So also verlief seine Hochzeitsnacht, die einzige, die er je erleben würde. Mit einer frisch angetrauten jungen Frau, die weinte, als sei ihr das schlimmste Unglück zugestoßen.
Er war doch kein Monster, wollte nicht ihr Leben zerstören. Und bestimmt würde er sie nicht davon abhalten, weiter zu zeichnen und zu malen, oder sie von ihrer Familie fernhalten. Wenn es nach ihm ging, wünschte er sich Kinder mit ihr, die sie lieben konnte.
Die Tatsache jedoch, dass er eine starke Frau wie Susanna zum Weinen gebracht hatte, deprimierte ihn. Was als reizvolle Verführung gedacht war, endete in hoffnungsloser Verzweiflung. Und seine Ehe schien am Ende, bevor sie überhaupt begonnen hatte.
Der Gedanke entsetzte ihn. Er wollte nie so werden wie seine Eltern und war doch auf dem besten Weg dazu. Leo gab sich einen Ruck. Irgendwie musste er ihr Vertrauen erringen und ihr und sich selbst beweisen, dass noch nicht alles verloren war. Dass er sich ändern wollte und konnte.
Er sah, wie sie sich mit einem Seufzer aus der Wanne erhob, um sich abzutrocknen und Nachthemd und Morgenmantel anzuziehen. Dann trat sie mit einem Kamm ans Fenster und entwirrte ihr Haar, bevor sie es schnell zu einem Zopf flocht. Sie fröstelte sichtbar, denn hier oben im Norden waren die Abende kühl.
Zögernd trat sie zum Bett, wusste offenbar nicht, was sie jetzt tun sollte. Auch Leo, der sie beobachtete, war unschlüssig. Natürlich konnte er weiter am Tisch sitzen bleiben und vor sich hin schnarchen, bis sie schlief. Das wäre das Einfachste. Und zugleich das Feigste. Nein, so wollte er ihr Eheleben wirklich nicht beginnen.
Er bewegte sich ein wenig, räkelte sich und öffnete die Augen. Schaute sich wie verwirrt um. Susanna, die immer noch neben dem Bett stand, musterte ihn argwöhnisch und zog den Morgenmantel am Hals enger zusammen.
Der Anblick stimmte ihn traurig. Ruhig sagte er: »Ich musste noch nie eine Frau mit Gewalt in mein Bett zerren, und ich werde jetzt nicht damit anfangen. Vertrau mir zumindest in dieser Hinsicht, wenn sonst schon nicht.«
»Ich habe nicht vor, auf einem Stuhl zu schlafen, aber das heißt nicht, dass ich mich dir hingebe.«
»Nein. Nur hast du das im Grunde mit der Eheschließung bereits getan.«
Er erhob sich, und ihre Augen wurden ganz groß, als er zu ihr kam. Ihn beschlich der Verdacht, dass sie mehr Angst vor ihrer eigenen Reaktion als vor ihm
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