Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
es stört dich nicht, dass ich bei deinen Freunden kein durchschlagender Erfolg war.«
»Sag das nicht«, meinte er fröhlich. »Wir setzen unsere Reise erst in zwei Tagen fort, und es gibt jede Menge Gelegenheiten, sich in Szene zu setzen. Heute Vormittag findet ein Bogenschießwettbewerb statt, Nachbarn kommen mittags zum Essen, und anschließend ist ein Ausritt geplant. Vielleicht entdeckst du sogar ein paar Blumen, die du malen kannst.«
Sie musterte ihn mit ruhiger Miene. Enttäuschung und Traurigkeit der letzten Tage schienen gewichen. Er war erleichtert, obwohl er nicht wusste, wie lange diese Stimmung anhalten würde.
»Du hast beim Frühstück von den Planungen für den Tag erfahren?«, fragte sie.
»Nein, gestern Abend schon hat Lady Edgecumbe es erzählt. Ich würde nie nach unten zum Frühstück gehen, ohne dich zu fragen, ob du mich begleiten möchtest.« Er hielt ihr seinen Arm hin. »Erlaube mir, dich nach unten zu führen, Mrs Wade, damit ich mit deinem künstlerischen Talent angeben kann. Ich bin mir sicher, dass sich die Damen gerne anschauen werden, woran du gerade arbeitest.«
Überrascht stellte Susanna fest, dass Leo recht behielt. Sie verbrachten zwei erträgliche Tage mit den Edgecumbes, die von ihrem Talent ganz fasziniert zu sein schienen. Am Ende fertigte sie sogar eine Skizze der Töchter an, und Lady Edgecumbe schwor, dass sie die Zeichnung rahmen lassen würde. Nur Mrs Appleby blieb reserviert, und Susanna beschlich der Verdacht, dass noch andere Frauen aus Leos Bekanntenkreis so reagieren würden.
Er döste den ganzen Tag, während sie Richtung York fuhren. In regelmäßigen Abständen erwachte er zwar mit einem Ruck und versuchte, nicht wieder einzunicken, doch er schaffte es nicht. Susanna hingegen las oder schaute aus dem Fenster, um die atemberaubende Schönheit der grünen Hügellandschaft und die Wasserfälle von Wensleydale zu bewundern.
In York angekommen mieteten sie sich in einem Hotel ein und bezogen eine kleine Suite mit Schlafzimmer und Salon. Während der späten Mahlzeit sprach Leo überraschend wenig. Nach dem Aufenthalt bei den Edgecumbes, der ihr sehr zu denken gegeben hatte, und ihrem heimlichen Schwur, nichts unversucht zu lassen, um ihre Ehe zu verbessern, freute sie sich über das Alleinsein mit ihm und war zugleich sichtlich nervös. Würde er heute einen Versuch machen, sie zu berühren? Und wie sollte sie reagieren? Noch waren ihre Gefühle widersprüchlich und damit verwirrend.
Was dann geschah, zerstörte ihren vorsichtigen Optimismus. Als sie nach dem Essen ihre Zimmer betraten, wies er ihr das Bett zu. Er werde auf dem Sofa schlafen, erklärte er. Dann verbeugte er sich mit vollendeter Höflichkeit und ließ sie alleine und enttäuscht zurück.
Beim Frühstück am nächsten Morgen stocherte Susanna lustlos auf ihrem Teller herum, während Leo zurückgelehnt auf seinem Stuhl saß und sie beobachtete.
»Du hast gestern den ganzen Tag gedöst, in der Nacht geschlafen und trotzdem sind da Schatten unter deinen Augen«, sagte sie, als sich das Schweigen in die Länge zog.
Er zog eine Augenbraue hoch. »Machst du dir Sorgen um mich?«
»Du brauchst einen klaren Kopf. Wie willst du dir sonst deinen Lebensunterhalt beim Kartenspiel verdienen?«, spottete sie.
»Touché. Das hat gesessen«, erwiderte er mit einem charmanten Lächeln. »Wie gut, dass ich immer ein bisschen Geld zurücklege. Das brauchen wir jetzt für deine Garderobe.«
Sie legte ihre Gabel ab. »Wie bitte?« Er hatte Geld zurückgelegt? Genug, um eine Garderobe für sie zu kaufen, in der sie sich an der Seite ihres eleganten Ehemanns sehen lassen konnte? Ihr fehlten die Worte.
»York bietet die perfekte Gelegenheit. Ich kenne hier eine Schneiderin.«
»Ach nein«, meinte sie, und ihre Fantasie ging schon wieder mit ihr durch. Sie malte sich allerlei Konstellationen aus, warum und mit wem er eine Damenschneiderin aufgesucht hatte.
Sein Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. »Komm schon, lass mir die Freude. Du wirst sehen, dass ich ein hervorragender Berater bin.«
»Du weißt doch, dass ich mir aus Mode nicht viel mache – da hast du dich mit der falschen Frau eingelassen. Und als Bestechungsmittel funktioniert das auch nicht, falls du dieser Meinung sein solltest.«
»Nein, so verblendet bin ich nun auch wieder nicht, und meine Lust hat meinen Verstand noch nicht ganz ausgeschaltet.«
Offensichtlich, dachte sie, denn gestern Abend hatte er nicht einmal versucht sie zu
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