Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
London unter den wachsamen Blicken der tonangebenden Ladys erwarten würde. Wenn sie nicht aufpassten, konnte die mühsam aufgerichtete Fassade sehr schnell bröckeln und am Ende einstürzen. Und dann wäre der Skandal da, den sie vermeiden wollten. Sie durften es sich auf keinen Fall leisten, bei gesellschaftlichen Anlässen wie manche Ehepaare getrennter Wege zu gehen, sobald die Begrüßungen absolviert waren. So ein Leben wollte sie nicht. Und wenngleich es nicht einfach würde, sie mussten eine Möglichkeit finden, miteinander auszukommen und das Beste aus ihrer Ehe zu machen.
Und sie durfte sich nicht anmerken lassen, dass sie Leos Verhalten falsch fand. Sie musste es herunterspielen. Entschlossen nahm sie die Brille ab, klappte ihr Buch zu und wandte sich freundlich an Lady Edgecumbe, um mit ihr ein Gespräch über berühmte Künstler zu beginnen und ihr zu erzählen, was sie auf dieser Reise besichtigen wollte. Damit lenkte sie die Aufmerksamkeit der Hausherrin von Leo ab, der sich immer noch bemühte, die Töchter zu unterhalten, und jetzt die beiden jüngeren sogar zum Tanzen aufforderte. Zwischendurch allerdings schenkte er ihr ein Lächeln, das fast schon zärtlich zu nennen war und sie völlig verwirrte.
Vor den anderen zog sie sich in die Zimmerflucht zurück, die man ihnen zugewiesen hatte und wo sie für sich alleine einen kleinen Raum auswählte. Er ließ ihr ihren Willen, doch Susanna war alles andere als glücklich damit. Warum kam er nicht in ihr Schlafzimmer? War er etwa bei Mrs Appleby? Hatte die Parade von Witwen und Mätressen bereits begonnen? Die Fragen schwirrten ihr nur so im Kopf herum, ohne dass sie eine Antwort fand. Vor allem einem Problem musste sie sich langsam stellen: Sie konnte sich nicht gleichzeitig verweigern und eifersüchtig sein. Und irgendwie musste sie dafür sorgen, dass Leo gar nicht mehr auf die Idee kam, anderen Frauen schöne Augen zu machen.
Am nächsten Morgen endlich betrat Leo das Zimmer seiner Frau. Sie war eine ausgesprochene Frühaufsteherin, während er lieber länger schlief. Doch heute war er relativ früh dran. Er wollte mit Susanna reden, und dazu brauchte er einen klaren Kopf, denn bei ihr musste man ständig auf der Hut sein. Trotzdem begann er an ihren Wortgefechten Gefallen zu finden.
Er blieb auf der Schwelle stehen und beobachtete sie, wie sie sich gerade über einen Tisch beugte und das Aquarell für Tyler musterte. Auch wenn er es nicht zugeben mochte, war er zunehmend über diese Art von Aufmerksamkeit für andere Männer verärgert, aber er wollte nicht, dass sie falsche Schlüsse zog. Überhaupt dieser Tyler? Was fand sie an dem? Und dieses Gerede von einem friedlichen Miteinander, das konnte man nur als albern bezeichnen. Was war das schon im Vergleich zu Verlangen und Lust und der Freude, miteinander im Bett zu liegen? Obwohl sie es noch nicht kannte, ahnte sie es, da war er sich sicher. Schließlich hatte er gemerkt, wie empfänglich sie für leidenschaftliche Berührungen war.
Er hoffte inständig, dass er ihr bald alles zeigen konnte, stellte sich vor, wie er sie zum Bett drängte und sich über sie beugte, wenn sie in die Kissen fiel. Und er wusste ziemlich sicher, dass sie ihm nicht lange Widerstand leisten würde. Ganz schwach vor freudiger Erwartung wünschte er sie sich und so voller Verlangen, dass sie kaum noch zu sprechen in der Lage war.
Geduld, mahnte er sich wieder und riss sich zusammen. Insgesamt hatte er das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein, und das durfte er nicht frühzeitig verderben. Sie kannte noch nicht viel vom Leben, wusste nicht, was er wusste – dass sie eine leidenschaftliche Frau war, und das nicht nur in körperlicher Hinsicht.
»Guten Morgen, Mrs Wade«, machte er sich bemerkbar.
Sie erschrak nicht wie sonst, drehte sich ruhig zu ihm um. Er war nie zuvor einer Frau begegnet, die ihre Gefühle so gut unter Kontrolle hatte. Und das, obwohl sie wegen seines Benehmens gestern Abend sicherlich verstimmt war. Mit Recht, denn im Nachhinein fand Leo es ärgerlich, wie leicht er immer wieder in seine alten Verhaltensmuster zurückfiel. Warum, verdammt noch mal, konnte er es nicht lassen, mit allem, was Röcke trug, herumzuschäkern! Mit dem Resultat, dass seine Frau sich gleich wieder auf sich selbst zurückzog. Gratulation, Leo!
Er trat zu ihr, um über ihre Schulter einen Blick auf das Bild zu werfen. »Du bist ja so talentiert, Mrs Wade.«
»Leider nicht im Singen«, gab sie spitz zurück. »Ich hoffe,
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