Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
überquerten, war Susanna ziemlich mulmig zumute. Nicht mehr lange und sie würde sich peinlichen Fragen stellen müssen.
Leo spürte ihre Beklommenheit. »Sollte ich dir vielleicht etwas zu meiner Rechtfertigung sagen?«, fragte er sanft.
Sie drehte den Kopf, und die Bücher, die sie in Gretna Green erworben hatte, rutschten von ihrem Schoß. »Das brauchst du nicht«, erwiderte sie.
»Es waren Boxkämpfe, Mrs Wade. Ein Turnier.«
Erneut zuckte sie zusammen, als er sie mit ihrem neuen Namen ansprach. »Es ist ein barbarischer Sport – nein, man kann es nicht einmal Sport nennen.«
»Natürlich ist es eine Sportart.«
»Es ist eine widerliche Form der Belustigung für gelangweilte Männer, die nur Blut sehen wollen.«
»Es ist ein Wettkampf, bei dem es um die richtige Strategie in Verbindung mit einem gewissen Risiko geht. Schotten sind für ihre Widerstandsfähigkeit bekannt. Ich wollte es mir mit eigenen Augen anschauen. Und denk daran: Meine junge Frau selbst hat mir empfohlen, mich nach einer Unterhaltung umzusehen, weil sie ihre Flitterwochen nicht mit ihrem Ehemann verbringen will.«
Sie hob eines der Bücher vom Boden auf und zeigte es ihm. »Es ist eine Biografie über Giles Cobbett, einen berühmten Künstler aus Yorkshire. Ich würde mir gerne das Haus ansehen, in dem er gewohnt hat.«
»Dann möchtest du also, dass wir in York einen Zwischenstopp einlegen.« Er lehnte sich in seiner Ecke zurück und sah sie unter halb gesenkten Lidern an.
»Du brauchst mich nicht in sein Atelier zu begleiten.«
Er schloss die Augen ganz und schwieg, nahm sich jedoch vor, sie nach Möglichkeit zu begleiten und die Ohren zu spitzen, um alles über ihr neues Steckenpferd mitzubekommen.
»Ist das ein Lächeln auf den hübschen Lippen meiner Ehefrau?«, fragte Leo plötzlich.
»Wie bitte, wie meinst du das?«, fragte sie irritiert.
»Ich habe dich nicht mehr richtig lächeln sehen, seit …« Er führte seinen Satz nicht zu Ende, während er sie weiter nachdenklich musterte.
Sie griff nach einem Buch und schlug es auf. Eine Staubwolke quoll daraus hervor und löste bei ihm ein heftiges Niesen aus. Und bei ihr ein neuerliches Lächeln.
Am späten Nachmittag kamen sie auf einem hübschen Landsitz an, der in einem Tal zwischen zwei hohen Gebirgszügen in Westmorland lag. Die Edgecumbes waren ein Ehepaar mittleren Alters, deren Sohn in Oxford studierte und deren drei Töchter bei ihnen lebten. Eine von ihnen war verheiratet gewesen und bereits in jungen Jahren Witwe geworden. Alle begrüßten Leo voller Freude und mit ehrlicher Herzlichkeit. Kein Zweifel, dass sie ihn mochten – sie hatten ihn durch seinen Bruder Simon kennengelernt. Von irgendwelchen Ressentiments war jedenfalls nichts zu spüren.
Sie erschraken hingegen nicht wenig, als Leo ihnen Susanna als seine Frau vorstellte. Die leicht mollige Lady Edgecumbe mit ihrem altmodischen Spitzenhäubchen warf ihren Töchtern einen bestürzten Blick zu. Susanna schien es fast, als hätte sie auf Leo für eines der Mädchen gehofft. Oder sie waren rundheraus verblüfft über seine Wahl, was ebenfalls denkbar schien. Schließlich gaben sie ein ziemlich merkwürdiges Gespann ab: er so gut aussehend und elegant, sie eher unauffällig und schlicht gekleidet. Dafür konnte es in den Augen der Außenstehenden wiederum zwei Gründe geben: entweder eine verrückte Affäre oder eine große Mitgift. Susanna fragte sich, worauf die Edgecumbes wohl tippen mochten.
Beim Abendessen, zu dem alle außer Susanna in höchst eleganter Abendgarderobe erschienen, saß Leo zwischen ihr und der Dame des Hauses, die ihrer Freude über den Besuch unentwegt Ausdruck verlieh. »Ich kann es immer noch nicht fassen, dass Sie wieder einmal hier sind, mein lieber Leo.«
Aha, man sprach ihn also mit Vornamen an, stellte Susanna fest und lächelte den Schwestern zu, die sie ihrerseits unauffällig musterten.
»Sie haben des Öfteren gesagt, dass ich Sie gelegentlich besuchen solle, Mylady«, erwiderte Leo und griff nach ihrer Hand, um sie zu küssen.
Sie kicherte und verscheuchte ihn belustigt. Leo war ganz in seinem Element, erkannte Susanna. Wie gehabt flirtete er mit Jung und Alt, und es gab niemanden, der seine Schmeicheleien nicht genossen hätte. Natürlich musste er von Simons Heirat und Georginas Verlobung erzählen, bevor es interessant wurde. Und ein wenig heikel.
»Und wie haben Sie Ihre reizende Frau kennengelernt?«, fragte Lord Edgecumbe prompt. Er war groß und schlank, das
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