Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
küssen. Sie stieß einen Seufzer aus. Aber was blieb ihr anderes übrig, denn schließlich wollte sie ihre Ehe retten. »Und wie lange müssen wir zu diesem Zweck in York bleiben?«
»Bestimmt kann ich die Frau überreden, schnell zu arbeiten.«
Zweifellos, ging es ihr durch den Kopf. Welche Frau konnte er nicht überreden? Sie hatte es ja am eigenen Leib erfahren.
»Na gut«, lenkte sie ein. »Ich werde dich begleiten.«
Er rieb sich die Hände. »Dann lass uns anfangen.«
Madame Chambord besaß einen kleinen Laden in der North Street. Im Schaufenster waren wunderschöne Kleider ausgestellt, und im Laden lagen in Vitrinen kostbare Spitzen sowie aus Paris importierte Stoffe und Bänder. Die Schneiderin mit dem tiefschwarzen Haar mochte etwa zehn Jahre älter sein als Susanna.
Sie klatschte vor Freude in die Hände, als sie Leo sah. »Monsieur Wade, wie schön, Sie einmal wiederzusehen«, rief sie und kam auf ihn zugeeilt, als wolle sie sich in seine Arme werfen.
War sie etwa eine frühere Geliebte, fragte Susanna sich unwillkürlich. Unsinn, schalt sie sich. Und wenn schon. Sie musste jedenfalls damit aufhören, in jeder Frau eine frühere Affäre zu sehen, sonst wurde sie in London verrückt. Außerdem leuchteten die Augen jeder Frau, egal welchen Alters, vor Freude auf, wenn sie Leo sahen.
Madame Chambord fiel Leo doch nicht um den Hals, sondern versank in einen tiefen Knicks. »Monsieur Wade, was führt Sie in meinen bescheidenen Salon?«
Er trat zur Seite und zeigte auf Susanna. »Madame, erlauben Sie mir, Ihnen meine Frau vorzustellen.«
Susanna knickste ebenfalls, während die Schneiderin nach einem kurzen Zögern in routiniertes Entzücken ausbrach. »Ah, Sie bringen eine so reizende Frau zu mir! Merveilleuse «, rief sie, und ihre Stimme überschlug sich vor Begeisterung. Ob echt oder vorgespielt, Susanna vermochte es nicht zu sagen.
»Wir haben erst vor Kurzem geheiratet«, erklärte Leo, »und ich möchte, dass meine Frau bei unserer Rückkehr nach London mindestens genauso großartig aussieht wie die anderen Damen der Gesellschaft.«
»Und wie lange werden Sie in York bleiben, Monsieur?«, fragte sie, während sie die Augen zusammenkniff und Susannas Figur musterte.
»So kurz wie möglich, Madame.« Es war das erste Mal, dass Susanna etwas sagte. »Ich bin Künstlerin und habe unterwegs noch einiges zu erledigen.«
» Alors , ich hätte gleich darauf kommen müssen, in welche Richtung Ihre Talente gehen«, erwiderte Madame Chambord, während sie Susannas dunkelroten Rock musterte. »Ich sehe einen Farbfleck.«
»Daran erkennen Sie, wie wenig Wert ich auf meine Kleidung lege.«
Der guten Frau verschlug es vorübergehend die Sprache, und ihr skeptischer Blick wanderte zu Leo, der sie amüsiert aufklärte. »Meine Frau ist wie eine seltene Blume, Madame. Deshalb bin ich auch zu Ihnen gekommen, denn Sie sollen sie zum Erblühen bringen.«
Susanna unterdrückte ein Lachen, während Madame die Welt wieder verstand. » Oui, oui , dann kommen Sie mit, Monsieur. Wir unterhalten uns hinten in Ruhe, während meine Angestellten sich um die anderen Kunden kümmern.«
Die weniger wichtigen, dachte Susanna. Leo hatte also eindeutig schon häufiger Geld hiergelassen, und die Schneiderin wusste, dass ein lukrativer Auftrag wartete. Hatte er hier seine Spielgewinne investiert? Das Geld, das er zurücklegte? Woher auch immer es kommen mochte, stand zweifelsfrei fest, dass er über welches verfügte und nicht bloß von Apanagen lebte.
In einem kleinen Salon mit bequemen Sesseln, die um einen großen Spiegel herum arrangiert waren, legte Madame Chambord ihnen Dutzende von Entwürfen vor: für Morgen- und Hauskleider, für Nachmittags- und Abendkleider, für die ganz große Ballrobe. Susanna schwindelte bei dem Anblick. Was sollte sie da auswählen?
Das brauchte sie gar nicht, denn zielstrebig deutete Leo auf eine Reihe von Blättern, diskutierte über Formen und Farben und traf seine Entscheidung. Den einzigen Entwurf, den sie herausgesucht hatte, nahm er ihr missbilligend aus der Hand. »Madame, diese Farbe passt doch bestimmt nicht zum rotbraunen Haar meiner Frau.«
» Non, non , Monsieur, absolument non . Wie gewöhnlich haben Sie den richtigen Blick.«
Halbherzig wandte Susanna ein, ob nicht vielleicht ein dunkles Grün …?
»Nein, blau«, unterbrach Leo sie. »Ein ganz dunkles Blau mit silberner Stickerei.«
Und dann gingen er und die Schneiderin schnell weitere Zeichnungen durch, wählten ein
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