Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
vollendete Tatsachen geschaffen worden waren?
»Guten Tag, Mr Wade«, begrüßte ihre Mutter ihn zögernd und irritiert, aber nicht unfreundlich.
Schlagartig begriff Susanna, dass sie nichts wussten, und sie sah Leo fragend an. War das Gerücht womöglich nicht bis London vorgedrungen? Schwer vorstellbar bei der sonst so reibunglos funktionierenden Gerüchteküche.
Leo trat vor und verbeugte sich, während Mrs Townsend den Raum wieder verließ und die Türen hinter sich schloss. Ihr Vater ging auf Leo zu und schaute ihn durch seine Brille prüfend an. »Ich glaube, wir sind uns noch nicht vorgestellt worden, Sir.« Seine Stimme klang leicht reserviert – vermutlich brachte er mit Leos Namen einige Geschichten in Zusammenhang, die über ihn kursierten.
Susanna beschloss, die Eröffnung nicht mehr hinauszuschieben und gleich ins kalte Wasser zu springen. »Papa, ich möchte dir Mr Leo Wade vorstellen, meinen Ehemann.«
Leland, der gerade zu einer höflichen Verbeugung angesetzt hatte, hielt unvermittelt inne und wandte ihr seinen Blick zu. Lady Rose atmete hörbar aus und griff Halt suchend nach dem Arm ihres Mannes.
Leo verbeugte sich lächelnd. »Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Professor.« Warum wirkte er nur so gelassen, so heiter? Und so gut aussehend? Nichts passte zu der Situation und erst recht nicht zu ihr. Was tat ausgerechnet sie mit so einem Dandy, würden ihre Eltern sich bestimmt fragen.
»Dein … Ehemann?«, hauchte ihre Mutter. »Ach, Susanna, was hast du getan?«
Susanna zögerte mit ihrer Antwort. Sie war immer davon ausgegangen, dass die Eltern bereits Bescheid wussten, aber das schien nicht der Fall. Leo kam ihr zu Hilfe. Er hakte sich bei ihr ein und schaute sie so liebevoll an, dass ihr Herz einen Schlag aussetzte.
»Professor Leland, Lady Rose, es ist alles meine Schuld«, erklärte Leo mit ernster, tiefer Stimme.
O Gott, was würde er ihnen erzählen? Hoffentlich nicht die volle Wahrheit, denn das würde alles nur noch schlimmer machen.
»Ihre Tochter und ich haben bei den Bramfields viel Zeit miteinander verbracht, und sie hat mich dermaßen verzaubert, dass ich es nicht erwarten konnte, sie zu meiner Braut zu machen. Ich bin zutiefst dankbar, dass sie meinen Antrag angenommen hat. Wir kommen gerade eben aus Schottland zurück.«
Sie musste die Farce weiterspielen, damit ihre Eltern sie glaubten und überzeugt waren, dass kein Grund zur Sorge bestand. Gott sei Dank wussten sie nicht, was wirklich vorgefallen war. Trotzdem schien ihr Vater ernstlich verärgert. Die Lippen zu einem Strich zusammengepresst kanzelte er Leo ab. »Sie haben offenbar den richtigen Ton gewählt, um ein unschuldiges Mädchen zu seiner Frau zu machen ohne vorher mit ihren Eltern zu sprechen.«
Leo öffnete schon den Mund, um etwas zu erwidern, als Susanna schnell dazwischenging. »Unschuldiges Mädchen? Papa, ich bin siebenundzwanzig! Du solltest erleichtert sein, dass ich das Glück hatte, noch einen Mann abzubekommen.«
Lady Rose musterte Leo mit unsicherem Blick, sah schließlich Susanna mit einem etwas zittrigen Lächeln an. »Bist du glücklich, mein liebes Kind? Das ist mir am wichtigsten.«
»Ja, Mama, ich bin glücklich.« Susanna merkte, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Zu groß war die Erleichterung, dass die Heimkehr glimpflicher abzulaufen schien als befürchtet. Und deshalb hatte sie auch nicht gelogen: In diesem Moment fühlte sie sich bloß glücklich.
Ihre Mutter schaute zwischen ihnen hin und her, und eine Träne rollte über ihre Wange. Es war immer ihr sehnlicher Wunsch gewesen, Susanna verheiratet zu sehen, und aus diesem Grund war sie letztlich bereit, diese befremdliche Eheschließung zu akzeptieren. Eigentlich hätte Susanna eine solche Reaktion ebenfalls bei ihrem Vater erwartet. Dass ausgerechnet er, der zerstreute Professor, jetzt eine so harte Position einnahm, wunderte sie.
»Ach, Susanna«, seufzte Lady Rose, »ich hatte fast schon die Hoffnung aufgegeben, diesen Tag zu erleben.«
»So habe ich früher auch gedacht, bis Leo mich vom Gegenteil überzeugte.« Sie verschwieg, dass dieser Mann Engel bewegen könnte, auf die Erde herabzusteigen, war nur froh, die Mutter für sich gewonnen zu haben.
Der Vater sperrte sich jedoch weiterhin. »Wade …«, sagte er mit ganz leiser Stimme.
»Randolph, bitte«, unterbrach seine Frau ihn. »Wir können unsere Fragen beim Dinner stellen. Jetzt sollen sich die Kinder erst einmal von der Reise erholen. Bestimmt haben
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