Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
ätzenden Vorwürfe über mich ergehen. Lässig ruht mein Ellbogen in dem hübschen Kleid auf der Couch. Offen bleiben. Nicht weinen.
Aber die Skikarte ist heftig.
Atme gefälligst! Und was ist mit dir? Du warst doch mal derjenige mit den guten Vorschlägen. Als wir noch in Seattle wohnten, da kamst du dauernd mit irgendwelchen lustigen Ideen an. Du hast Berge erklommen. Was ist aus diesem Typen geworden? Das hier ist mindestens ebenso eine Stadt der Reiter wie der Skifahrer. Ich bitte dich wieder und wieder, doch mal mitzukommen, aber du lehnst ab. Pferde sind dir zu »unberechenbar«. Ich versuche wenigstens, Ski zu fahren.
»Einfach total verschieden«? Himmel! Ich glaube, wir ähneln uns so sehr, dass du dich selbst nicht mehr erkennst. Und seit wann ist Skifahren symptomatisch für unsere ganze Beziehung? Ging es uns nicht immer um den Spirit? Und in meinen Augen ist der Spirit, der Skifahren liebt, auch derjenige, der das Reiten liebt. Ich glaube, dass du dir selbst eine Menge Mist erzählst, um dich als Opfer zu präsentieren, anstatt endlich Verantwortung für deine eigene Zufriedenheit zu übernehmen und dich zu deiner Familie zu bekennen … und vor allem anstatt MICH ZU LIEBEN! Wir teilen denselben Spirit. Können wir vielleicht mal von dieser Basis ausgehen?!
Das bringt mich auf den nächsten Punkt, den ich nicht vorbringen werde. Ich werde nämlich nicht sagen: Wo du schon von Spirit sprichst … wer hat dich denn dazu überredet , im Great Blue Hole zu tauchen – was eines deiner Lebensziele war? Wer hat das möglich gemacht, damals, als wir noch das Geld dafür hatten? Wer hat all die Schnorcheltrips und Urlaube an unberührten Stränden gebucht, die dir so gefallen haben, dass du gar nicht mehr von dort wegwolltest? Ich. Weil ich dich kenne. Es hat nichts mit Skifahren zu tun, sondern
damit, was du in deinem eigenen Herzen verloren hast. Und verdammt noch mal – ich liebe dich, falls du das vergessen haben solltest.
Nichts davon sage ich.
»Wenn du mich zwingst, zu einem Therapeuten zu gehen, jage ich mir eine Kugel in den Kopf«, sagt er, als hätte er die Waffe bereits in der Hand.
Aber ich sage gar nichts. Auch nicht: Warum hast du dann zunächst gesagt, dass du die Idee nicht schlecht findest? Nur damit ich dich nicht weiter nerve? Dabei würde eine Therapie bei dir Wunder wirken! Sie lehrt dich, aus dieser Opferrolle herauszukommen. Das ist so befreiend. Da lernst du, Verantwortung zu übernehmen, anstatt vor deinen Problemen davonzulaufen. Was tust du denn, um Verantwortung zu beweisen? Aufgeben? Abhauen? Wie weit willst du denn fortlaufen, bevor du anfängst, dich um deine Seele zu kümmern? Siehst du denn nicht, wie anstrengend dieses Weglaufen ist?
»Ich weiß, was ich zu tun habe. Ich ziehe aus.« Und dann wiederholt er seinen Lieblingssatz, der ihn klingen lässt wie einen Menschen mit kranker Seele von der schlimmsten Sorte: »Unsere Kinder werden das verstehen. Sie werden wollen, dass ich glücklich bin.«
Hier ergreife ich das Wort. Ich löse alle Bremsen.
»Das ist großartig. Wenn du zwei Co-Abhängige aus ihnen machen willst. Zwei Kids, die zu übertrieben verantwortungsbewussten Kontrollfreaks werden, die ebenfalls in gescheiterten Beziehungen und, wenn sie klug sind, in Therapie enden werden. Oder als gefallsüchtige Ja-Sager, die ständig in Angst leben, verlassen zu werden, letztlich aber auch in gescheiterten Beziehungen und in Therapie enden. Das ist großartig, wenn du sie dazu bringen willst, dein Glück über ihr eigenes zu stellen. Oder wenigstens so zu tun, um dir zu gefallen. Das
ist großartig, wenn du ihnen klarmachen willst, dass dein Glück wichtiger ist als das ihre. Das ist großartig, wenn du alles in deiner Macht Stehende getan hast, um zu versuchen, diese Familie zu erhalten, sie zusammenzuhalten, wahr zu machen, wozu du dich bekannt hast, als du beschlossen hast, mich zu heiraten und mit mir eine Familie zu gründen.«
Ich spüre, wie ich auf dem Hintern die Überredungsspur runterschlittere. Mein Gesicht ist rot angelaufen. Das spüre ich im Nacken. Rasch schalte ich auf den Frage-Modus um. Den folgenden Satz habe ich mit meiner Therapeutin einstudiert, im Rahmen einer Notfall-Telefonsitzung vor zwei Stunden. Ich liebe ihn, denn er ist wahr, klar, unmissverständlich und schlicht.
»Was können wir jetzt tun, um dir die Distanz zu gewähren, die du brauchst, ohne dass unsere Familie dadurch Schaden nimmt?« Was können wir jetzt tun (ich verbünde
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