Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
Gott, das ist doch absurd«, sagt er, während er das Blatt überfliegt. »Dann glaubst du also nicht, dass es mehr schadet als nützt, wenn ich Nachrichten für die Kinder auf einer Tafel am Eingang hinterlasse? Wir haben doch nicht mal jeder Schlüssel für das Haus!«
Ich stehe auf und hole mir ein Glas Wasser. Atme … hab Vertrauen … lass das Ergebnis auf dich zukommen.
»Verdammt noch mal! Das ist doch lächerlich!«, keift er. »Ah, ich verstehe, ich verstehe. Du benutzt die Kinder als Druckmittel. Du willst mir mit dieser Liste drohen. Du willst mich dazu bringen, dass ich diese ganzen verdammten Fragen beantworte, ja?«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich dich zu irgendetwas bringen will. Ich will dich nur wissen lassen, was mir eine Psychologin, die tagtäglich mit den Auswirkungen verantwortungsloser Trennungen zu tun hat, geraten hat, als ich sie danach gefragt habe, was denn eine verantwortungsvolle Trennung ausmacht.«
Er zeigt auf die Liste. »Na toll. Wer darf mit wem Sex haben? Geht’s dir darum? Glaubst du, ich interessiere mich für eine andere Frau?«
Ich sage nicht: Eine Frau ohne Altlasten, eine ohne Vorleben? Vielleicht eine brillante Skifahrerin?
Ich sage: »Bist du ehrlich zu mir? Gibt es eine andere?«
»Definitiv nicht.«
Ich schaue ihm in die Augen. Ich entdecke Zorn darin, aber ich meine, auch Ehrlichkeit zu sehen.
»Wo genau in der Stadt befindet sich denn dieses Haus, in das du ziehen möchtest? Das ist eine der Fragen von der Liste. Werden unsere Kinder dort ein und aus gehen?«
Jetzt windet er sich. »Also, es ist noch nicht endgültig gekauft. Mein Kumpel aus New York überlegt noch, es zu kaufen.«
»Und dann würdest du es von ihm mieten.«
»Nein, das können wir uns nicht leisten.«
Das ist doch Wahnsinn. Ich will zurück nach Italien. Ich möchte Feigen pflücken, auf Olivenbäume klettern und Davids Po anstarren. Das ist Wahnsinn, und es ist traurig.
Ich sage: »Ich will wissen, wozu wir uns jetzt verpflichten können. Ich rede nicht vom nächsten Monat. Ich rede über genau jetzt. Denn morgen könnte dich ja auch ein Laster überfahren. Aber was können wir jetzt tun, um dir die Distanz zu gewähren, die du brauchst, ohne …«
»Würdest du wohl aufhören, diese ärgerliche Frage zu stellen? Das ist offenbar alles, was du kannst. Fragen stellen! Wozu kannst du dich denn verpflichten?«
Faszinierend. Wenn ich eine Therapeutin wäre. Wenn es hier nicht um mein Leben ginge.
»Wozu ich mich verpflichten kann?«, sage ich. »Also, ich kann mich dazu verpflichten, dir die Distanz zu gewähren, die du brauchst, aber nur sofern es unseren Kindern keinen Schaden zufügt. Ich kann mich verpflichten, dich in deinem Bestreben nach Glück zu unterstützen. Ich kann mich verpflichten, unser Zuhause zu bewahren, während du dir eine Auszeit nimmst. Und wenn Australien zu teuer ist, dann schnapp dir, wie du es schon oft angekündigt hast, deinen Geländewagen, deine Angel und dein Rad und mach dich damit auf den Weg. Ich kann mich verpflichten, dir zu helfen, einen Raum im Speicher über der Garage einzurichten, dein Home Office – ein Zimmer, das nur dir gehört und in dem du ein bisschen auf Abstand gehen kannst. Ich kann mich verpflichten, dich darin zu bestärken, Helikopterstunden in der Flugschule unserer Freunde zu nehmen.«
»Dann willst du also verhindern, dass ich in die Stadt ziehe?«
Gütiger Gott. Jetzt macht er es mir aber wirklich leicht. »Ich habe nicht gesagt, dass ich etwas zulassen oder verhindern will. Ich sehe nur nicht, wie du bei diesem Arrangement die nötige Distanz finden willst. Meistens schläfst du selbst ein, nachdem du die Kinder ins Bett gebracht hast. Und dir dann aufzuerlegen, noch in die Stadt zu fahren – in eine Wohnung, die dir im Moment noch gar nicht zur Verfügung steht –, dort zu schlafen, kurz darauf wieder aufzustehen und zur Arbeit zu gehen … in meinen Ohren klingt das nicht sehr sinnvoll. Was können wir denn gemeinsam in dem Alltag, den einzurichten uns so viel Kraft gekostet hat, bewerkstelligen, innerhalb unserer Familie und auf unserem Grund und Boden, sodass es keine Bedrohung für die Kinder darstellt? Sodass sie sich nicht im Stich gelassen fühlen?«
Jetzt schweigt er.
Ich stelle mich dumm. Bleibe aber dran. Denn natürlich ist das eine absurde Vorstellung. Was würde denn bitte schön für mich dabei herausspringen? Ich soll kochen und putzen und alles andere erledigen, während er einfach hereinschneit und
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