Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Spiel, das die Götter sich leisten

Ein Spiel, das die Götter sich leisten

Titel: Ein Spiel, das die Götter sich leisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selim Özdogan
Vom Netzwerk:
ließ ich ihn zurück in Kamaloka, ohne ihn gesehen zu haben und ohne eine Ahnung, wie ich ihn hätte ausfindig machen können. Oktay, mit ihm hatte ich mich nie alleine gefühlt.
    Ich versuchte mich an jeden einzelnen Tag mit Oriana zu erinnern, wann sie wo gelacht hatte, was wir alles zusammen gesehen hatten, geteilt, wie sie gerochen hatte, nach dem Duschen, nach dem Schwimmen, nach dem Aufwachen. Ich holte mir Bilder vor die Innenseiten meiner Augenlider, wir nackt und schwitzend, stöhnend, fickend, Haut an Haut, wie wir auf den Instrumenten spielten, die Lust bereiteten, wie die Erregung sich darauf vorbereitete, unsere Körper zu verlassen. Lauter Bruchstücke, die aufblitzten und mir im nachhinein vorkamen, als könnten es Déjà-vus gewesen sein. Dinge, die ich gleichzeitig in der Erinnerung und in der Wirklichkeit erlebt hatte, Bilder eines Lebens, das jemand für mich geführt hatte.
    Fast vierzehn Tage mit Oriana, mir kam es vor, als seien es Jahre. Ich wußte nicht, was sein würde, wenn wir wieder in Deutschland waren. Das hier war doch das echte Leben, jenes, das wir sonst führten, war nur ein Urlaub, den wir nahmen, weil wir Angst hatten, das Glück könne langweilig werden oder zumindest vergänglich sein wie alles andere. Unser Leben in Deutschland war nur etwas, das wir machten, weil wir nichts Besseres zu tun hatten in der Zwischenzeit, in der Zeit zwischen den Zeiten, die wir an den Orten des Verlangens und der Erfüllung verbrachten. Das Leben konnte möglicherweise tatsächlich ein sexueller Wanderzirkus sein, in dem wir uns wie Narren benahmen, wir Toren und Heilige, wie Oktay, wie Oktay Gö ğ ebakan. Es war doch alles Illusion, Maya, nichts war wirklich, kein Schmerz, kein Leid, keine Trauer, keine Freude, kein Glück, es war alles nur ein Traum, die Götter hatten diese Welt erschaffen, um uns zu täuschen. Wir lebten alle nur in der Matrix. Wir waren nicht hier zu Hause.
    Es war alles nur ein Traum, aber genau wie im Traum hatten wir keinen Einfluß auf den Gang der Dinge.
    Es war dunkel und trüb und schwül, es sah nach einem Gewitter aus, das war unser erster Tag, an dem die Sonne nicht schien. Ich fühlte mich müde und schlapp, und nach einiger Zeit döste ich ein. Es war zuviel Sex in meinem Hirn. Eine Frau tauchte auf. Sie fand heraus, daß ihr Mann regelmäßig masturbierte und sie deshalb vernachlässigte, und die Entdeckung der verklebten Taschentücher ließ sie verzweifeln. Oder vielleicht war es auch eine Frau, deren Mann immer viel zu schnell kam und die sich wünschte, ihn zu demütigen, indem sie ihn zusehen ließ, wie jemand anders sie ausdauernd bumste. Einer, der nicht selbstgefällig sagte: Ich komme schon, kurz nachdem sie ihn in den Mund genommen hatte. Ich stellte mir eine Frau vor, die sich nach einem befriedigenden Sexleben sehnte. Das reizte mich, vielleicht weil der Weg, den sie bis zur Glückseligkeit zurücklegen mußte, so weit war, aber unbeschwert sein konnte.
    Meinen Kopf gegen die Lehne gestützt, schlief ich schließlich ein. Mein Schwanz war immer noch oder schon wieder hart, als ich aufwachte, weil Oriana so laut lachte. Ich machte die Augen auf und sah als erstes das Pärchen, das uns gegenüber saß. Ein Mann Ende Dreißig mit schulterlangen pechschwarzen Haaren, einer Adlernase und einem Bartschatten und eine Frau, die ein paar Jahre jünger sein mochte, mit schwarzen, streichholzkurzen Haaren, einem hellen Flaum auf Wange und Oberlippe und einem leichten Silberblick. Ich gähnte und streckte mich.
    – Mesut, sagte Oriana, das sind Andrea und Anna, sie sind aus Taranto in Italien und machen hier Urlaub.
    Sie sagte etwas auf italienisch zu den beiden, und wir nickten uns zu.
    Oriana unterhielt sich weiter. Es klang sehr fremd und ungewohnt, ich hatte sie noch nie Italienisch reden hören, und obwohl ich natürlich gewußt hatte, daß sie es konnte, erschien es mir jetzt wie ein Wunder, daß all diese Laute aus ihrem Mund kamen. Es war ein wenig, als sei sie ein anderer Mensch. Wahrscheinlich war es ihr gestern mit mir auch so gegangen. Ich sah zu, wie ihre Lippen sich bewegten, ich sah mir die Falten um die Augen an, wenn sie lachte, ich betrachtete ihre Hände, wenn sie gestikulierte, irgendwie anders als sonst. Ich sah den Pferdeschwanz, den sanften Schwung ihres Nackens, die leicht nach innen gehenden Schneidezähne, ich hörte ihr kehliges Lachen, spürte ihr Bein an meinem, wir klebten aneinander.
    Oriana kam mir gleichzeitig sehr fremd und

Weitere Kostenlose Bücher