Ein Spiel um Macht und Liebe
Schlag aus. Ein blutroter Streifen erschien auf Michaels Brust.
Der Major ließ sich nicht beirren. Nicholas konnte sich rasch drehen, so daß das grausame Leder nur über seine Schulter fetzte. Clare mußte sich eine Hand auf den Mund pressen, um nicht laut aufzuschreien. Sie hatte Prügeleien von Schuljungen gesehen, einmal auch betrunkene Bergleute, die sich eine Schlägerei lieferten, aber dieses Duell war wild und grausam wie der Krieg.
Mit einem Knurren machte Michael einen Satz nach vorn, um näher an seinen Gegner heranzukommen. »Ich habe Jahre darauf gewartet, du Bastard!«
Mit einem erstaunlich leichten Zucken des Handgelenks ließ Nicholas die Peitsche fliegen, und die Schnur wickelte sich um die von Michael.
»Dann kannst du ja noch etwas länger aushalten.«
Er riß den Griff zurück, um Michael zu entwaffnen, aber diesem gelang es, seine Peitsche festzuhalten, wenn er auch durch den Ruck auf die Knie fiel. Fast eine Minute lang kämpften die Männer um die Oberhand, zogen und zerrten, daß die Muskeln hervortraten. Dann lösten sich die Schnüre plötzlich voneinander, und beide fielen hintüber.
Statt sofort wieder anzugreifen, duckte Nicholas sich wie ein Ringer und machte ein paar Schritte zur Seite, die Peitsche erhoben und zum Ausholen bereit. Michael machte es ihm nach, und sie umkreisten einander langsam und geschmeidig, während ihre Mienen in angespannter Konzentration verzerrt waren.
Selbst in dem flackernden, unsteten Licht konnte man die beiden nicht verwechseln. Nicholas, der Zigeuner, bewegte sich leichtfüßig und flink, Michael, der Soldat, mit der aggressiven und sturen Entschlossenheit, seinen Gegner zu vernichten. Es war nichts zu hören außer dem schwachen Scharren von Michaels Stiefeln auf den Steinfliesen.
Als Nicholas erneut geschickt einem Schlag auswich, keuchte Michael: »Du kannst gut laufen, du dreckiger Zigeuner.«
»Ich schäme mich nicht für das, was ich bin, Michael.« Mit einem kraftvollen Schwung des Handgelenks verpaßte Nicholas seinem Gegenüber einen weiteren Riß im Hemd. »Kannst du dasselbe von dir behaupten?«
Seine Provokation löste einen Wutausbruch aus.
Der Major stürzte vor, wobei er mit seiner Peitsche unablässig auf seinen Gegner eindrosch und die Schläge nur so auf Nicholas herabhagelten. Das häßliche Geräusch von Peitschenknallen und zerfetzendem Stoff und von Haut ließ Clare verzweifelt aufstöhnen. Warum wich Nicholas denn nicht aus? Warum stand er da, ließ sich schlagen und hielt nur einen Arm zum Schutz vor seinen Kopf?
Sie erfuhr den Grund, als sich Michael noch einen weiteren Schritt vorwagte und fast sein ganzes Gewicht auf den vorderen Fuß legte. Das war der Augenblick, auf den Nicholas gewartet hatte. Er ließ die Peitsche durch die Luft sausen, und die Lederschnur schlang sich um Michaels gestiefelten Knöchel.
Der Schlag selbst war nicht bedeutend, aber als Nicholas mit beiden Händen am Griff seiner Peitsche riß, schwankte Michael und stürzte hart zu Boden. Durch die Plötzlichkeit konnte er seinen Sturz nicht abfangen, rollte herum, und sein Kopf schlug hörbar auf den Steinboden auf.
Dann, plötzlich, war alles vorbei. Michael lag reglos auf dem Boden, und die Stille wurde nur von Nicholas’ rauher, heftiger Atmung unterbrochen. Clare schickte ein rasches Dankgebet zum Himmel, daß Nicholas der Sieger war, dann hastete sie zu dem Mann am Boden hinüber. Sie hatte sich oft genug um Verletzungen kümmern müssen, die auf dem Schulhof passierten, und das war ihr nun von Nutzen, als sie vorsichtig seinen blutenden Schädel untersuchte.
Nicholas ließ sich neben sie fallen. Sein Hemd hing in Fetzen an seinem Körper, und er blutete aus mindestens einem Dutzend Wunden, doch mit einem raschen Blick versicherte Clare sich, daß die Schnitte nicht besonders tief waren. Er selbst kümmerte sich ohnehin nicht darum, sondern starrte nur auf den bewußtlosen Mann. »Ist es schlimm?« fragte er mit bebender Stimme.
Clare antwortete erst, als sie Michaels Puls und Atmung überprüft und die Kopfwunde untersucht hatte. »Ich glaube nicht. Er wird eine Gehirnerschütterung haben, aber ich bin sicher, der Schädel ist nicht gebrochen. Kopfwunden bluten immer sehr stark, so daß es meist schlimmer aussieht, als es ist. Hat jemand ein Taschentuch?«
Ihr wurde ein kostbar besticktes Tuch mit einem
›C‹ darauf in die Hand gedrückt. Sie faltete es und preßte es fest auf die Wunde.
»Gott sei Dank, daß es nicht schlimmer
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