Ein Spiel um Macht und Liebe
auf. Es war Zeit, sich auf das erste Abendessen mit Nicholas vorzubereiten.
Die Arbeit hatte ihr inneres Gleichgewicht wieder stabilisiert, und sie fühlte sich emotional nicht mehr so angegriffen wie vorhin am See. Dennoch zermürbte es sie, in einem so großen Haus zu sein. Allein das Läuten nach einem Bad machte sie nervös, denn die Morgans hatten niemals Dienstboten besessen.
Doch die Beklommenheit ließ nach, als sich herausstellte, daß die kleine Zofe, die auf das Läuten herbeieilte, eine frühere Schülerin von ihr war. Dilys war ein ausgesprochen liebes Mädchen, das seine Lehrerin immer sehr bewundert hatte, und Dilys akzeptierte Miss Morgans Anwesenheit so, als wäre es ganz normal für eine Lehrerin, als Gast unter dem Dach eines Earls zu weilen.
Darüber hinaus stellte Clare fest, daß es nicht unangenehmer war, Dilys um ein Bad zu bitten, als einen Schüler zu veranlassen, ein Verb zu konjugieren. Dennoch konnte sie nicht anders, als Dilys zur Hilfe zu eilen, als das Mädchen mit zwei schweren Kesseln, voll mit heißem Wasser, hereinschwankte. Wahrscheinlich hätte eine Lady dabeigestanden und das Mädchen sich abmühen lassen, aber das konnte sie eben nicht.
Das riesige Sitzbad war eine reine Freude. Clare war noch nie in den Genuß von soviel heißem Wasser auf einmal gekommen. Sie blieb so lange darin, daß sie sich anschließend in aller Eile anziehen und frisieren mußte.
Nur eines ihrer Kleider war für den Abend geeignet, und es war alt und niemals schick gewesen. Doch das tiefe Blau des Stoffes paßte wunderbar zu ihren Augen, und der Ausschnitt ließ einiges an Haut an ihrem Hals frei.
Sie blickte an sich herunter und überlegte, wie sie wohl in einem modischen, tief ausgeschnittenen Kleid aussehen würde. Doch dann gestand sie sich mit Bedauern ein, daß das Ergebnis nicht besonders bemerkenswert wäre, selbst wenn sie ein solches Kleid besäße und den Mut gehabt hätte, es auch noch zu tragen.
Sie bürstete ihr Haar und steckte es zu einem Knoten in ihrem Nacken zusammen, dann musterte sie sich kritisch im Spiegel. Durch die feuchte Hitze des Bades umrahmte ihr Haar in sanften Wellen ihr Gesicht und nahm ihm ein wenig von der üblichen Strenge. Zum Glück war ihr Teint rein und besaß den natürlichen Rose-Ton der Waliser.
Ihr Spiegelbild zeigte ihr genau den Menschen, der sie war: eine bescheidene Frau mit bescheidenen Mitteln. Ihr Stolz gebot es, sich so gut herzurichten, wie sie es konnte, doch sie sah immer noch zu gewöhnlich aus, als daß der Earl of Aberdare wegen ihr die Beherrschung verlieren könnte. Dafür dankte sie dem Himmel. Es war schon schlimm genug, daß er es als Teil des Spieles betrachtete, sie im Laufe der drei Monate zu verführen; aber wenn er wirklich mit Herz und Lenden dabei war, dann würde sie ihm vielleicht nicht widerstehen können.
Sie wischte sich die Handflächen, die plötzlich schwitzig waren, am Kleid ab und machte sich auf den Weg zum Speisezimmer. Der Tag war bald vorbei, und sie fragte sich nervös, wann der Earl wohl seinen Kuß eintreiben würde. Und noch wichtiger: Wie würde sie wohl reagieren, wenn er es schließlich tat?
Nicholas befand sich bereits im Familien-Wohnzimmer und schenkte sich einen Drink ein.
In seinem gut geschnittenen schwarzen Rock und den Hosen sah er aus, als wäre er mit dem Prinzregenten zum Essen verabredet. Sie blieb im Türrahmen stehen, als sie sich bewußt wurde, wie schlichtweg lächerlich die Situation war. Was in aller Welt tat sie, die einfache Clare Morgan, hier auf Aberdare?
Beim Klang ihrer Schritte blickte er auf, und hielt mitten in der Bewegung inne. »Sie sehen reizend aus, Clare.«
Es lag soviel Wärme in seiner Stimme, daß sie unwillkürlich erschauderte. Er war nicht nur vermögend und gutaussehend, er besaß auch das Talent, einer Frau das Gefühl zu geben, schön und begehrenswert zu sein. Vielleicht war das eine notwendige Eigenschaft für einen Frauenhelden, denn sicher würde jede Frau sich nach Kräften bemühen, dem Mann zu zeigen, daß sie es auch wirklich war.
»Vielen Dank«, sagte sie und versuchte so zu klingen, als wären Komplimente etwas ganz Normales für sie. »Ist es sehr unschicklich, wenn ich feststelle, daß Sie mit Ihrem Aussehen das Herz eines jeden Mädchens brechen könnten, das leicht zu beeindrucken ist?«
Er sah sie hoffnungsvoll an. »Gehören Sie zu der Sorte Mädchen?«
»Nicht im geringsten.« Doch sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
»Wie
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