Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
zurück. Trotzdem schweifte ihr Blick immer noch wachsam umher, und sie verschränkte nervös die Finger.
Das blieb nicht unbemerkt, wenngleich die Ursache ihrer Nervosität falsch gedeutet wurde.
»Du lieber Himmel, lass es doch sein, Phillippa, sonst knetest du dein Taschentuch noch zu einer Kugel«, bemerkte Totty, während ihr Blick den Pferden durch die Kurve folgte.
Schließlich stand Phillippa auf, entschuldigte sich bei ihren Begleiterinnen, in deren Nähe ihr unbehaglich geworden war, und schloss sich Totty an, die vorn in der Loge stand. Nora, um sie nicht zu vergessen, folgte ihr.
»Es ist doch kein Geheimnis, warum du so nervös ist«, murmelte Nora kaum hörbar.
»Hm?«, erwiderte Phillippa. Dann erst sah sie den Schaden, den sie ihrem Taschentuch aus feinem Leinen angetan hatte, und hörte prompt auf, das bedauernswerte Tuch zu malträtieren. »Was soll das heißen, Nora? Weshalb sollte ich nervös sein?«
»Wegen der angespannten Erwartung, was sonst«, gab Nora zurück. Leise, sodass die schwatzenden Ladys hinter ihr es nicht hören konnten, fügte sie hinzu: »Da Broughton dich ja letzte Nacht enttäuscht hat, hast du noch einen ganzen Tag voller Erwartung vor dir, bis … «
Phillippa löste den Blick von der Stelle, an der Marcus Worth gestanden hatte, und beschäftigte sich nicht mehr mit der Frage, wohin er verschwunden sein konnte – denn die letzten Rennen sollten gleich anfangen – , sondern schaute ihre zierliche Freundin fragend an. Noras Blick schimmerte hell und hoffnungsfroh.
»Nora, was um alles in der Welt redest du da?«, hakte Phillippa nach.
Nora errötete beschämt. »Du … und Broughton. In allen Büchern steht geschrieben, dass die angespannte Erwartung oft qualvoll und entsetzlich ist, bis der Moment kommt … «
»Ab sofort ist es dir streng verboten, solche Bücher zu lesen«, verkündete Phillippa missbilligend. »Offenkundig haben sie dir deine Gedanken verdorben.«
»Aber du hast sie mir doch selbst gegeben … «
Tottys Aufmerksamkeit war ebenfalls geweckt. »Miss Nora, fragen Sie Phillippa gerade nach dem, was ich glaube, dass Sie sie fragen?«
»Aber wir wissen es doch alle, Philly. Wahrscheinlich machst du dir große Sorgen.« Nora legte die Stirn in Falten.
»Weshalb?«
»Wegen Broughton. Hat er dich zurückgewiesen? Oder ist er doch noch an dir interessiert? Denn wenn ein Mann es vorzieht, schlafen zu gehen … ist das normal? Ich hoffe doch, dass du nichts falsch gemacht hast … hast du ihn vielleicht irgendwie beleidigt?«
Phillippa wünschte sich nicht zum ersten Mal, Nora nicht ganz so klug gemacht zu haben, und vor allem, dass deren Mutter es nicht so stillschweigend hingenommen hätte.
»Er ist noch nicht einmal zu deiner Loge gekommen«, sagte Nora, während sie Broughton und dessen Entourage beobachtete, die am Rande der Strecke standen und jubelten. »Mrs. Dunningham hat sich erkundigt, was geschehen ist, genau wie Lady Plessy und Lord Draye … «
Für kurze Zeit konnte Phillippa nur die Augen zusammenkneifen. Von all den Gedanken, die ihr durch den Kopf wirbelten, war dies der ärgerlichste – weil auch der unwichtigste. Wen kümmerte es, dass die Leute sich darüber das Maul zerrissen, wie sie schlief? Um Himmels willen! Sie war Phillippa Benning; sie war es gewöhnt. Aber irgendetwas an der Art, wie Nora ihr Benehmen in Zweifel zog – nicht nur, dass Broughton eingeschlafen war, anstatt in ihr Zimmer zu kommen, sondern dass sie sich an den Mann, der statt seiner gekommen war, angeschmiegt und ihn zärtlich berührt hatte – und dass er dann die Unverfrorenheit besessen hatte, sie über ihren Ehemann auszufragen!
Zählte man das dem Umstand hinzu, dass hier irgendwo ein Verrückter herumlungerte, dann wimmelte es in Phillippas Kopf plötzlich vor widerstreitenden Gedanken. Sie musste sich zurückziehen, bevor die Worte, der Himmel möge es verhindern, offen und ehrlich aus ihr herausplatzten.
»… und jetzt, da Lady Jane hier ist … aber denk nicht dran, heute Nacht wirst du ihn dir angeln, und von Lady Jane wird nichts als eine blasse Erinnerung zurückbleiben«, plapperte Nora, als Phillippa hörbar den Atem einsog.
»Ich brauche ein wenig Luft«, sagte sie, entschuldigte sich bei einer besorgten Totty und einer augenzwinkernden Nora. Als sie sich zur Tür wandte, hörte Phillippa, wie Nora Totty fragte, ob sie etwas Falsches gesagt habe; aber als Totty antwortete, waren Phillippa und Bitsy schon längst
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