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Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)

Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)

Titel: Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Noble
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eindeutiger definiert: Byrne war der Mann der Tat, Marcus der des Gedankens.
    Es war schwer zu sagen, wer die Figur des Blue Raven erfunden hatte: Marcus oder Byrne. Die Frage nach dem Warum war viel einfacher zu beantworten: Sie waren darum gebeten worden.
    Im Winter des Jahres 1812 war Marcus nach London zurückgeschickt worden, um sich von seiner Verwundung zu erholen. Während er sich dort halb zu Tode langweilte und sich bei Graham und dessen frisch angetrauter Ehefrau Mariah praktisch eingekerkert fühlte, wurde er gebeten, einige Berichte über Byrnes Abenteuer und seine eigenen aufzuschreiben, um dem Kriegsamt und dem Parlament eine Vorstellung von den Fortschritten auf dem Kontinent zu verschaffen. Weil Marcus weder seinen Namen noch den seines Bruders auf einem amtlichen Dokument vermerkt wissen wollte, ließ er sich für Byrne ein Pseudonym einfallen, zu dem ihn dessen dunkles Haar inspiriert hatte: Blue Raven. Den Bericht verfasste Marcus in einem Tonfall, der so amtlich klang wie nur möglich; aber Handlungen und Aktionen haben es an sich, die Zwänge des Vokabulars zu überwinden, und die amtlichen Berichte lasen sich manchmal wie Abenteuergeschichten.
    Man stelle sich vor, wie überrascht Marcus war, als er eines morgens am Frühstückstisch die Times aufschlug und einen seiner Berichte entdeckte – abgedruckt in ganzer Länge.
    Am folgenden Tag erschien der nächste, dann wieder einer und dann wieder.
    Die Reaktion war geradezu ekstatisch. 1812 war kein einfaches Jahr gewesen; zwei Kriege waren ausgefochten worden, und in der Öffentlichkeit hatte sich eine gewisse Kriegsmüdigkeit breitgemacht. Und auf eine Art gelang es Blue Raven, die Menschen nicht verzweifeln zu lassen. Allein irgendwo seinen Namen zu lesen ließ die Gerüchteküche brodeln, was die Regierung in Fahnenschwenken und das Zeichnen von Anleihen umsetzte.
    Nachdem Marcus an die Front und zu Byrne zurückgekehrt war, erschienen weiterhin Berichte in der Zeitung. Einige bewegten sich nahe an der Wahrheit, andere wiederum waren so offensichtlich ausgedacht, dass Marcus und Byrne sich schieflachten, nachdem eine Zeitung es den wochenlangen Weg bis zu ihnen geschafft hatte.
    Graham hatten sie es nie erzählt. Im Alter von siebzehn Jahren hatte Graham den Titel von seinem Vater übernommen, und seine Arroganz war in allem spürbar. Er wurde beinahe krank vor Sorge, als seine Brüder bei der Armee unterschrieben. Hätte er gewusst, dass der eine Blue Raven und der andere dessen Erfinder war, wäre er vollends verrückt geworden. So war es Marcus’ und Byrnes Geheimnis geblieben, ein weiterer Faden in dem Gewebe, das sie beide aneinanderkettete.
    Niemals in all den Jahren als Bruder und Partner hatte Byrne an Marcus gezweifelt: weder an dessen Absichten noch an den Informationen oder an dessen Zielstrebigkeit.
    Niemals. Bis jetzt.
    »Fieldstone hatte recht, dich zu feuern. Du hast den Verstand verloren«, brummte Byrne und schenkte sich wieder das Glas voll, und zwar aus dem Flakon, den Marcus im Schreibtisch aufbewahrte. Marcus schüttelte bedächtig den Kopf. Aber selbst in seinen eigenen Ohren klang die Geschichte aus Misstrauen und den daraus folgenden Handlungen, die er seinem Bruder gerade zu Ende erzählt hatte, als gehörte sie in das Reich des Lächerlichen; allerdings hatte er gehofft, dass wenigstens Byrne nicht an ihm zweifelte.
    »Wie oft habe ich mich geirrt, Byrne?«, fragte Marcus betont. »Wie oft? Unter all den Informationen, die ich jemals gesammelt und durchgesehen habe, kann ich mich nur an eine einzige erinnern, die falsch war. Und das war, als du mitten in Belgien auf einem Milchhof gelandet bist, was dich allerdings davor bewahrt hat, geradewegs in ein Schlangennest zu spazieren.« Marcus trank seinen Brandy.
    Byrne warf seinem Bruder einen frostigen Blick zu.
    »Ich habe nicht gesagt, dass du falsch liegst, Marcus. Ich sagte, dass du den Verstand verloren hast«, entgegnete er. »Du hast Fieldstone über deinen Verdacht informiert – in Hörweite einer Zivilperson?«
    Marcus war so gnädig, peinlich berührt dreinzublicken.
    »Und darüber hinaus«, fuhr Byrne fort, und sein Ärger ließ die sich erhebende Stimme noch bitterer klingen, »hast du diese Zivilperson auch noch in deine Pläne eingespannt? Man könnte versucht sein zu fragen, um wen es sich bei dieser Zivilperson handelt – nicht etwa um einen Gelehrten oder um einen Kaufmann. Noch nicht einmal um eine verschwiegene Person. Nein, du hast beschlossen,

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