Ein Staatsgeheimnis Am Rhein
von sich streckte. Dank langjähriger Übung gelang der Begrüßungskuß auch bei dieser Position. Nur der Pipierhelm fiel auf den Boden. Die 9-mm-Sig-Sauer im Schulterhalfter trug nicht dazu bei, den Eindruck trauter Innigkeit zu vermitteln. Doch Sabine hatte sich daran gewöhnt, ihren »Waldi« im Geschirr zu sehen.
»Du bist lieb und eine wahrhaft fleißige studentische Hilfskraft«, gab er ihr den »Waldi« nach dem ersten Luftholen zurück. Sie hatte wie immer zuviel Dackel hineingelegt. Das alte Spiel der beiden Verliebten.
»Und du hast wieder so tüchtig arbeiten müssen. Hm, den Duft kenne ich: Wein vom Rhein. Wie schwer ist doch euer Dienst!«
»Recht hast du – doch diesen Wein gab’s an der Ahr. Ich werde dir später alles ganz langsam erklären.«
Sabine Heyden und Walter Freiberg kannten sich schon seit der gemeinsamen Studentenzeit an der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität. Bei einem Sommerfest auf der Hofgartenwiese hatte es begonnen. Die Zweierkiste war einige Male wieder zusammengenagelt worden und hielt jetzt ganz gut. Sabine war der Universitas Literarum treu geblieben und fristete ihr Leben aus einer halben studentischen Hilfskraftstelle. Wenig Geld, und überall war es knapp. Große braune Augen standen in einem schmalen Gesicht, Augen, die das Leben suchten.
Walter Freiberg streichelte mit einer Hand über ihren Rücken. Sie streckte sich.
»Wer so arbeitet, muß mehr essen.«
»Du weißt, wie wenig ich brauche – Essen, meine ich.«
»Reine Schutzbehauptung! Das sagt dir dein Kommissar. Jetzt, wo deine Dissertation fertig ist, solltest du nicht auf der Leiter herumturnen, sondern Päuschen machen und Fett ansetzen.«
»Ich zweifle doch, ob dir das so recht wäre: warmes Gänseschmalz? Heute gibt’s übrigens Butterbrote. Deine Bude muß fertig werden. Schließlich möchten sich auch Damen darin wohl fühlen! Du kannst schon mal die Kaffeemaschine anwerfen – es ist alles vorbereitet.«
Freiberg ging die paar Schritte bis zur Kochnische, die im Mietvertrag hochtrabend als »Pantry« bezeichnet wurde und sah sich zufrieden um. Immerhin hatte der Architekt hier beim Umbau eine kleine Küchenzeile mit Spüle, Herd und Kühlschrank untergebracht. Nur die Arbeitsplatte war zu winzig. Die »Pantry« war es, die dem Souterrain-Appartement den Pfiff gab.
Freiberg hatte lange in Bonn suchen müssen, um eine solche Wohnung zu einem leidlichen Preis zu finden. Allerdings versprach ‘ das Souterrain Fußkälte; und die Gitter vor den Fenstern gaben dem Raum den Charme eines Gefängnisses.
Dank Sabines Mitarbeit war die Pinselei bald geschafft. In dieser Nacht konnte »aufgeklart« werden.
»Überleg es dir, du solltest die Beethovenstraße aufgeben und hierher ziehen. Wir hätten Platz genug, und es wäre billiger für dich.«
»Wem sagst du das! Die Kohlen sind knapp, doch die Freiheit wäre futsch, wenn ich erst hinter diesen Gittern säße. Aber im Ernst: Ich möchte nicht alles umkrempeln vor der mündlichen Doktorprüfung. Nach dem Rigorosum darfst du mich erneut befragen.«
Walter Freiberg war nicht so begeistert von der Antwort. »Und bis dahin: Getrennt marschieren, getrennt schlafen?«
»Kommissar Waldi, du kennst wohl deinen Moltke nicht mehr: ›… vereint schlagen‹ hat der die Kriegskunst gelehrt. Heute kann ich sowieso nicht zurück. Gissy hat ihren Computerfreak bei mir einquartiert und hilft ihm programmieren. Ich habe mir gedacht, hier sei die Nacht über genug zu tun.«
»Großes Bravo meiner Hilfskraft. Jetzt erstellen wir ein Ablaufdiagramm. Vielleicht so: Erst Kaffee trinken, Bütterchen mampfen – ich habe schon gegessen –, dann noch etwas den Pinsel schwingen, danach ›klar Schiff machen‹ und schließlich die erste Housewarmingparty – zu zweit. Mal sehen, was das neue französische Bett hergibt.«
»Siehst du, mein abgebrochener Historiker, so ähnlich muß der Feldherr Moltke gedacht haben: ›Vereint schlafen – das sichert den Sieg‹.«
»Deine Art zu zitieren, ist eine wahre Freude.«
»…schöner Götterfunke«, ergänzte Sabine und dachte an den letzten Teil des Ablaufdiagramms.
Am nächsten Morgen hatten die beiden Pinselquäler verschlafen. Einige Nachtstunden mußten weniger als sechzig Minuten gehabt haben. Die beiden sprangen mit dem Blick auf die Uhr erschreckt in die Ungewißheit des neuen Tages.
Das Apartment sah recht proper aus und das »Grand-Lit« hatte seine Bewährungsprobe bestanden. Sabine kämpfte mit dem
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