Ein Stern für Lou - Die Popkörner ; [1]
spannt den Wagen an« entschieden. Sie mochte die Melodie und dass man es als Kanon singen konnte. Aber jetzt saß sie schon über zwei Stunden am Schreibtisch und ihr wollte nichts einfallen. Sie hatte sogar ihr ganzes Traumbuch durchgeblättert. Aber blöderweise passten ihre Träume nicht zum Rhythmus des Liedes. Zum hundertsten Mal an diesem Nachmittag war Lou kurz davor, zu Motte rüberzulaufen. Gemeinsam wäre der Text sicher längst fertig. Aber ihre Cousine hatte ihr in der Schule ja deutlich gesagt, dass sie nicht mit ihr im Team arbeiten wollte. Und noch so eine Abfuhr würde Lou sich bestimmt nicht abholen. Da hörte sie von der Luke her Antons Stimme. »Lusi! Luuuusi!« Sein hellbrauner Strubbelkopf tauchte auf.
»Was denn?«, fragte sie gereizt. Sie hatte doch beim Mittagessen gesagt, dass sie Hausaufgaben aufhatte.
»Ich will Obelix streicheln«, sagte Anton.
»Mach doch.«
Anton schüttelte den Kopf. »Erlaubt Tante Vessa nicht!«
Tante Vanessa hatte darauf bestanden, dass immer jemand mitging, wenn Anton zu den Meeries wollte. »Nicht dass er noch den Stall offen lässt«, hatte sie gesagt.
Frau und Herr Blum, Lou und Anton wussten zwar alle, dass ihm das niemals passieren würde, aber es nützte nichts. Schließlich gehörten die Meerschweinchen nicht ihnen. »Frag doch Till und Ole«, schlug Lou vor, die jetzt wirklich nicht von ihrem Schreibtisch wegwollte.
»Die sind nicht da«, sagte Anton betrübt. »Nur du bist da, Lusi.«
So stimmte es auch nicht. Ma war auch da. Aber sie hatte sich nach ihrer Nachtschicht im Krankenhaus hingelegt. Und Pa machte den Einkauf.
Lou gab sich einen Ruck. »Okay«, entschied sie. »Aber nur zehn Minuten. Ich muss das Lied noch fertig bekommen.«
Draußen schien die Sonne und die Meerschweinchen pfiffen fröhlich, als sie die Kinder kommen sahen. Vorsichtig öffnete Anton den Stall und ließ Obelix an seiner Hand schnuppern. »Er mag mich«, sagte er stolz und nahm das bunt gefleckte Meerschweinchen auf den Arm. Lou entschied sich für Asterix. Von Mottes Meerschweinchen ließ sie lieber die Finger. Anton legte sich auf den Rasen. »Komm, Obelix, wir ruhen uns aus.«
»Lass ihn nicht abhauen«, ermahnte ihn Lou.
»Nein, Luuusi«, sagte Anton. Er lag ganz entspannt im Gras, und nachdem Obelix eine Runde über seinen Bauch gedreht hatte, legte er sich zufrieden hin. »Ich gebe ihm Löwenzahn«, erklärte Anton. »Das schmeckt ihm gut.« Es sah so gemütlich aus, wie ihr kleiner Bruder das Meerschweinchen auf dem Bauch liegen hatte, dass Lou sich auch im Gras ausstreckte. Asterix krabbelte sofort zu ihrem Hals hoch und schnupperte.
»Nicht, du Frechdachs! Das kitzelt«, sagte Lou und setzte ihn zurück auf ihren Bauch.
Hoch oben am Himmel trieben weiße Wolken.
»Lusi«, sagte Anton. »Warum sehen die Wolken hier anders aus als zu Hause?«
Lou überlegte. »Vielleicht weht der Wind hier anders.«
»Kann der Wind nicht mit umziehen?«
»Nein«, sagte Lou. »Der Wind zieht nicht um. Er passt in keinen Koffer.«
»Schade«, schniefte Anton traurig.
Lou drehte sich zu ihm und streichelte seine Hand. »Heimweh nach Kanada?«, fragte sie ganz leise.
»Ja«, sagte er kaum hörbar.
»Ich auch«, sagte Lou und sah wieder zu den Wolken. Einen Moment lagen sie einfach ganz still da und sagten nichts.
»Aber sieh mal, Anton, dafür sehen die Wolken hier aus wie Schiffe!«
»Schiffe?« Anton kam so schnell hoch, dass Obelix einen halben Salto machte.
Lou zeigte auf eine besonders bauchige große Wolke. »Die Wolke sieht doch aus wie ein richtiges Wolkenschiff«, sagte sie. Und noch während sie es sagte, fühlte Lou, dass sie den Anfang ihres Lieds gefunden hatte.
Es war kurz nach Mitternacht, als Motte aus ihrem Zimmer huschte und den Gang zum Gästezimmer hinunterschlich. In der einen Hand hatte sie die Kopie mit der Songwriter-Werkstatt, in der anderen ein Päckchen Streichhölzer. Sie konnte einfach nicht einschlafen. Da konnte sie ebenso gut versuchen, ihr Lied umzuschreiben. Motte schlüpfte in das Zimmer und lief auf Zehenspitzen zu ihrem Platz am Fenster. Sie zündete die Kerze an und setzte sich auf das Fensterbrett. Draußen im dunklen Garten konnte sie die Umrisse des Kutscherhauses erahnen. Bei Lous Familie war alles anders: Die Blums wohnten in einem kleineren Haus. Fuhren einen schrottreifen VW-Bus. Lous Mutter war fast jeden Tag unterwegs und arbeitete im Krankenhaus. Und Lous Vater kümmerte sich um ihren jüngeren Bruder, der behindert war.
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