Ein Stern für Lou - Die Popkörner ; [1]
Ponton. Überrascht sah sie von Motte zu Billie. »Hallo! Du bist ja auch da.«
»Dein Buch… dein Notizbuch«, stammelte Motte vor Aufregung und zeigte aufs Wasser. Die Strömung hatte das Buch schon ein ganzes Stück vom Ponton fortgetrieben. Lou blieb wie angewurzelt stehen.
»Aber… wie ist das denn passiert?«
»Diese blöde Kuh hat es ins Wasser geworfen!«, keuchte Motte.
»Es ist mir aus der Hand gefallen«, sagte Billie, der inzwischen nicht mehr wohl in ihrer Haut war.
»Mein Buch«, flüsterte Lou. Wie ferngesteuert nahm sie ihre Gitarrentasche vom Rücken und trat einen Schritt auf die Kante zu. »Ich… ich brauch mein Buch.«
Ehe Motte oder Billie sich besinnen konnten, streckte Lou die Arme über ihren Kopf und sprang mit einem Köpfer in den Fluss!
»Lou!«, schrie Motte entsetzt. »Lou!« Sie sah auf die grauen Wellen, die gegen die Pontonmauer klatschten.
»Ist die vollkommen bescheuert?«, stotterte Billie entsetzt. »Die kann doch nicht in die Elbe springen.«
»Das ist deine Schuld«, fuhr Motte sie an.
Da tauchte Lous Kopf aus den Wellen auf. Sie spuckte Wasser und sah sich um. Das Buch trieb etwa fünfzehn Meter von ihr entfernt.
»Lou, komm zurück!«, bat Motte. »Die Strömung ist viel zu gefährlich!«
Aber Lou hörte nicht. Sie fürchtete sich nicht vor dem Wasser. Sie war oft im Pazifik geschwommen. Und dort kreuzten nicht nur Schiffe, sondern echte Wale! Mit kräftigen Zügen kraulte sie ihrem Traumbuch hinterher. Sie musste es einfach retten.
Hinter ihr standen Motte und Billie am Ponton und kriegten kaum Luft. Jetzt war Lou bis auf drei Meter an ihr Buch herangekommen. Zwei Meter. Motte schätzte ihre Entfernung vom Ufer zur Flussmitte ab, wo sich die Fahrrinne für die großen Schiffe befand und der Fluss auf dreizehn Meter ausgegraben war. Dort war die Strömung sehr stark. »Kehr um!«, murmelte Motte. »Kehr doch um!«
Endlich hatte Lou ihr Notizbuch erreicht und fasste es mit der rechten Hand. Mit zwei Beinschlägen drehte sie um und wollte zum Ponton zurückschwimmen, da merkte sie, wie das Wasser sie in die entgegengesetzte Richtung zog. Mit dem Buch in der Hand würde sie es auf keinen Fall schaffen. Wenn sie gegen die Strömung anschwimmen wollte, brauchte sie beide Hände. Sie nahm das Buch zwischen die Zähne und begann, gegen die Strömung zu kämpfen. Sie durfte nicht nachlassen. Keine Sekunde. Lou wusste, dass sie nur wenige Meter von ruhigerem Wasser trennten. Aber sie bemerkte auch, wie schwer ihre Kleider waren, die sich mit Wasser vollgesogen hatten. Und außerdem machte ihr die Kälte zu schaffen.
»Schwimm!«, hörte sie Mottes Stimme von weit her rufen. »Schwimm!«
Lou biss fester in den Umschlag des Buches und zwang sich, einen Zug nach dem anderen zu machen. Plötzlich fühlte sie, wie der Sog an ihren Beinen nachließ und das Schwimmen leichter wurde.
»Du hast es gleich geschafft!«, rief Motte. »Komm, ich zieh dich raus!«
Mit letzter Kraft reckte Lou ihre Hand aus dem Wasser. Motte packte sofort zu. Von der anderen Seite fasste Billie mit an und gemeinsam zogen sie Lou auf den Ponton zurück.
»Ich hab’s!«, japste Lou.
Billie starrte sie noch eine Schrecksekunde lang an, dann lief sie weg.
22. Song
»Die Tr… der W…che…ril 201…« Motte saß auf dem Badezimmerfußboden des Kutscherhauses und versuchte, die zerlaufene Schrift in Lous total durchweichtem Traumbuch zu entziffern. Aus der Duschkabine dampfte es. Lou hatte das Wasser auf heiß gestellt. Die Verrückte! Sofort nachdem Motte Lou aus dem Hafenbecken gezogen hatte, waren sie auf dem kürzesten Weg nach Hause gegangen. Erschöpft und nass bis auf die Knochen hatten sie das Kutscherhaus erreicht. Glücklicherweise waren Frau und Herr Blum noch auf einer Veranstaltung in Antons Schule und so konnte Motte ihre Cousine unbemerkt ins Bad schleusen.
»Und wie sehen die anderen Seiten aus?«, fragte Lou. Sie schlüpfte aus der Dusche und hüllte sich in ein kuscheliges Badetuch. Motte zog die aneinanderklebenden Seiten sachte auseinander. Auch hier hatte sich die Schrift in einen hellblauen Tintenfleck aufgelöst. »Alles weg«, sagte Motte.
Lou strich sich die Haare nach hinten und kniete sich neben Motte. Ihr Traumbuch sah so traurig aus. Der ehemals glänzende nachtblaue Buchdeckel war aufgequollen und Lous Träume, die sie seit über einem Jahr aufgeschrieben hatte, waren vom Wasser weggewaschen worden. Für einen Moment brachte Lou kein Wort heraus. Motte strich ihr
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