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Ein Stiefel voll Glück - Oskar und Mathilda ; 1

Ein Stiefel voll Glück - Oskar und Mathilda ; 1

Titel: Ein Stiefel voll Glück - Oskar und Mathilda ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Westfalen> F.-Coppenrath-Verlag <Münster
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Mathildas Vater, Ronald von Dommel, legte großen Wertdarauf, dass der Rasen einen englischen Schnitt bekam und frei von jeglichem Wildwuchs war. Und so brachte der Gärtner in der Regel den ganzen Samstag damit zu, sämtlichen Pflänzchen, die nicht wie Grashalme aussahen, den Garaus zu machen. Danach zog Karl-Friedrich schnurgerade Bahnen mit dem Elektromäher. Und am Sonntagvormittag säuberte und reparierte er dann alle Geräte, damit sie sofort wieder einsatzbereit waren, wenn er am Dienstagnachmittag aus seiner wohlverdienten Freizeit zurückkehrte.
    Ebenso gepflegt wie der Rasen waren natürlich auch die Beete, Bäume und Büsche. Das Unkraut wurde bereits ausgezupft, bevor es die Erdoberfläche durchdrang, die Blumen standen wie Soldaten in Reih und Glied, und die Sträucher sahen so aus, als ob ihnen kein Gärtner, sondern ein Friseur den Schnitt verpasst hätte.
    Mathilda hasste den Garten. Selbst wenn es ihr erlaubt gewesen wäre, darin zu spielen, sie hätte es ganz bestimmt nicht getan. Eigentlich benutzte sie den Garten nur, um zur Hecke und von dort auf Opa Heinrichens Grundstück zu gelangen.
    Sehnsüchtig lenkte sie ihren Blick auf das hellblau getünchte Nachbarhaus. Opa Heinrichen war der einzige Mensch im ganzen Veilchenweg, der kein Personal beschäftigte. Obwohl er immer schon sehr früh aufstand, waren seine Fensterläden manchmal noch bis weit in die Nachmittagsstunden hinein zugeklappt. Dann schlich er mit der Taschenlampe durchsHaus und stöberte alte, verstaubte Spinnweben auf, um sie zu fotografieren. Oder er sah sich Dias an, die er auf seinen unzähligen Reisen gemacht hatte. Selten waren seine Fenster blitzblank gewienert. Und wenn es ausnahmsweise mal vorkam, dass er einen Putzeimer in die Hand nahm, machte er sich einen Spaß daraus, extra schlierige Sonnenstreifen einzuarbeiten, damit die Nachbarn sich darüber das Maul zerreißen konnten.
    Das Beste aber war Opa Heinrichens Garten. Darin wuchsen Blumen, die Mathilda noch nie gesehen hatte, und jeden Sommer kamen neue dazu.
    »Sie spüren, dass sie willkommen sind«, sagte Opa Heinrichen. »Sie mögen es, wenn sie sich ihren Platz selber aussuchen können, und halten gerne mal ein Pläuschchen mit einer exotischen Unbekannten.«
    Mathilda seufzte. Im Garten ihres Vaters war die Blume, die etwas auf sich hielt, selbstverständlich nur unter ihresgleichen. Tulpen unterhielten sich mit Tulpen, Begonien mit Begonien und Dahlien mit Dahlien.
    Natürlich kam es hin und wieder mal vor, dass eines von Opa Heinrichens Gänseblümchen es darauf anlegte, Bekanntschaft mit dem von Dommelschen Rasen zu schließen, aber zum Glück war Karl-Friedrich bisher immer rechtzeitig zur Stelle gewesen.
    Von ihrem Zimmer aus, das im ersten Stock lag, konnte Mathilda über die hohe Buchsbaumhecke hinwegspähen.
    Die Tür des Gartenhauses stand offen. Gleich daneben, im Schatten eines getupften Sonnenschirms, war ein Tisch aufgestellt, der mit buntem Geschirr, einer Milchflasche, Brot, Käse und Erdbeermarmelade gedeckt war.
    Mathilda sah Oskar und Henriette Habermick, die auf Klapphockern saßen und schmausten. Und sie sah Opa Heinrichen, der mit einem Krug voller frisch gepflückter Gartenblumen zu ihnen hinüberstapfte.
    Ein feiner Stich jagte durch ihre Brust.
    »Es ist gemein, dass du das Gartenhaus vermietet hast«, murmelte sie. »Noch dazu, ohne mich zu fragen.« Mathilda schloss die Augen und dachte an die Morgenstunden, die sie mit Oskar auf dem Dachboden verbracht hatte. »Grrr!«, machte sie und ballte die Fäuste. »Du bist vielleicht eine selten doofe Kuh, Mathilda von Dommel!«, schnaubte sie. »Das Leben ist wie ein Garten. Jeder sucht sich seinen Platz selber aus und deshalb gehören Überraschungen nun mal dazu.«
    Sie raste aus dem Zimmer und rannte die Treppe hinunter. Ihre Schritte erschütterten die Wände, aber das war ihr egal. Auf der Kommode im Flur lag wie immer eine Nachricht für sie, die ihre Mutter ihr hinterlassen hatte.
    Meine liebste Mathilda,
Herr Schobisch hat sich bei mir beklagt, dass Du schon wieder den Unterricht geschwänzt hast. Er war untröstlich und hat den ganzen Birnenkuchen alleine gegessen. Ich musste mich seiner bis in die Abendstunden hinein annehmen. Deshalb haben wir uns gestern leider nicht mehr gesehen, mein Schatz. Aber wir holen das nach. Ganz bald. Versprochen. Bitte mach Deine Schularbeiten sorgfältig und bereite Dich für Montagmorgen gut vor. Weck Deinen Vater nicht. Du weißt ja, wie hart er für

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