Ein stiller Waldteich: Die Erkenntnismeditation von Ajahn Chah (German Edition)
und begann laut zu argumentieren, daß er gekommen sei, um zu meditieren, nicht um seine Zeit mit Rezitieren zu vergeuden. Solch eine Erörterung westlichen Stils mit dem Lehrer in der Öffentlichkeit war ein Schock für viele der anderen Mönche. Ajahn Chah erklärte ruhig, daß wahre Meditation mit der richtigen Einstellung und Achtsamkeit in bezug auf jede Aktivität zu tun habe, nicht nur mit dem Suchen nach Stille in einer Waldhütte. Er wies mit Nachdruck darauf hin, daß der Psychiater zu jeder Rezitationssitzung während des Regenretreats pünktlich erscheinen müsse, wenn er in Wat Pah Pong bleiben wolle. Der Psychiater blieb und lernte, wunderschön zu rezitieren.
Vergiß die Zeit
Wir neigen dazu, unsere Meditation kompliziert zu machen. Wenn wir beispielsweise sitzen, fassen wir vielleicht folgenden Entschluß: »Ja, dieses Mal werde ich es wirklich tun.« Doch das ist nicht die richtige Einstellung; nichts wird an diesem Tag erreicht werden. Solches Ergreifen ist zu Anfang natürlich. Früher dachte ich in einigen Nächten, als ich mit dem Sitzen begann: »In Ordnung, heute werde ich mich bis ein Uhr nachts nicht von meinem Sitz erheben, frühestens.« Doch es dauerte nicht lange, und mein Geist begann zu treten und zu rebellieren, bis ich das Gefühl hatte, ich würde sterben. Welchen Sinn hat das?
Wenn du richtig sitzt, besteht kein Grund, zu messen oder etwas zu erzwingen. Es gibt kein Ziel, keinen Punkt zu erreichen. Ob du bis 7.00 Uhr, 8.00 Uhr oder 9.00 Uhr abends sitzt, ist egal. Sitz einfach weiter, ohne dir deswegen Sorgen zu machen. Dränge dich nicht. Sei nicht zwanghaft. Befiehl deinem Herzen nicht, unbedingt Dinge zu tun, denn dieser Befehl wird die Dinge um so unsicherer machen. Laß deinen Geist entspannt sein, laß deinen Atem gleichmäßig, normal, nicht kurz oder lang oder in einer besonderen Weise sein. Laß deinen Körper sich behaglich fühlen. Setz deine Übung regelmäßig fort. Die Begierde wird dich fragen: »Wie lange machen wir? Wie lange werden wir praktizieren?« Schrei sie einfach an: »He, laß mich zufrieden!« Du mußt sie laufend bezwingen, weil die geistigen Trübungen kommen werden, um dich zu stören. Sag einfach: »Ob ich früh oder spät aufhören will, beides ist nicht verkehrt; falls ich die ganze Nacht sitzen will, wen verletze ich? Warum kommst du und störst mich?« Schneide die Begierde ab, und sitz auf deine eigene Weise weiter. Laß dein Herz ohne Zwang sein, und du wirst ruhig werden, frei von der Macht des Ergreifens.
Manche Leute sitzen vor einem brennenden Räucherstäbchen und geloben, so lange zu sitzen, bis es heruntergebrannt ist. Und dann gucken sie laufend, um zu sehen, wie weit es abgebrannt ist, und sind somit fortwährend damit beschäftigt, sich um die Zeit zu sorgen. »Ist es schon vorbei?« fragen sie. Oder sie geloben, die festgelegte Zeit zu überschreiten oder zu sitzen, bis sie sterben, und fühlen sich dann furchtbar schuldig, wenn sie nur eine Stunde später aufhören. Diese Leute werden von Verlangen beherrscht. Schenke der Zeit keine Beachtung. Halte einfach deine Praxis in einem gleichmäßigen Tempo aufrecht, laß sie allmählich voranschreiten. Du brauchst keine Gelöbnisse abzulegen. Strebe einfach immer weiter danach, dich zu schulen. Du wirst schließlich sehen, daß du bequem eine lange Zeit sitzen kannst und dabei korrekt praktizierst.
Was die Schmerzen in den Beinen betrifft, so wirst du erleben, daß sie von selbst verschwinden. Bleib einfach bei deiner betrachtenden Übung.
Praktizierst du auf diese Weise, wird eine Veränderung in dir stattfinden. Wenn du dich schlafen legst, wirst du in der Lage sein, deinem Geist Ruhe und Schlaf zu geben. Vielleicht hast du früher geschnarcht, im Schlaf gesprochen, mit den Zähnen geknirscht oder dich gedreht und gewendet. Wenn dein Herz erst einmal geschult ist, wird all das verschwinden. Du wirst fest schlafen, aber nicht schläfrig, sondern erfrischt aufwachen. Der Körper wird ruhen, doch der Geist wird Tag und Nacht wach sein. Dies ist Buddho, derjenige, der weiß, der Erwachte, der Glückliche, der Strahlende. Dieser schläft nicht, fühlt sich nicht müde. Wenn du dein Herz und deinen Geist in dieser Praxis gleichermaßen stärkst, magst du zwei oder drei Tage lang nicht schlafen, und wenn du schläfrig wirst, kannst du für fünf oder zehn Minuten in den Zustand von Samadhi eintreten und erfrischt wieder daraus hervorkommen, so als ob du die ganze Nacht geschlafen hättest.
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