Ein stiller Waldteich: Die Erkenntnismeditation von Ajahn Chah (German Edition)
An diesem Punkt brauchst du dir über deinen Körper keine Gedanken mehr zu machen, obwohl du weiterhin mit Mitgefühl und Verständnis seine Bedürfnisse berücksichtigen wirst.
Einige Hinweise zur Praxis
Bei deiner Übung können verschiedene Bilder und Visionen erscheinen. Du siehst eine attraktive Form, hörst einen Klang, der dich erregt – auch dies muß alles beobachtet werden. Diese Art des Vipassanabildes kann sogar mehr Energie haben als eines, das aus einfacher Konzentration hervorkommt. Was immer erscheint, beobachte bloß.
Kürzlich fragte mich jemand: »Wenn ich meditiere und unterschiedliche Dinge erscheinen in meinem Geist, soll ich sie dann untersuchen oder einfach nur ihr Kommen und Gehen feststellen?« Siehst du jemanden vorbeigehen, den du nicht kennst, magst du dich fragen: »Wer ist das? Wo geht er hin? Was hat er vor?« Doch wenn du die Person kennst, reicht es, ihr Vorbeigehen zu bemerken.
Verlangen kann ein Freund oder ein Feind unserer Praxis sein. Zuerst spornt es uns an, herzukommen und zu praktizieren; wir wollen Dinge ändern, verstehen, das Leiden beenden. Doch ständig nach etwas zu verlangen, was noch nicht erschienen ist, Dinge anders zu wollen, als sie sind, ruft nur mehr Leiden hervor.
Jemand fragte: »Sollten wir nur essen, wenn wir hungrig sind, schlafen, wenn wir müde sind, wie die Zen-Meister vorschlagen, oder sollten wir experimentieren, indem wir manchmal das Gegenteil tun? Und falls ja, wie?« Natürlich sollte man experimentieren, aber niemand anders kann sagen, wieviel. All dies muß jeder für sich selbst wissen. Zu Beginn unserer Praxis sind wir wie Kinder, die lernen, das Alphabet zu schreiben. Die Buchstaben erscheinen krumm und schief, immer wieder – das einzige, was man tun kann, ist weiterzumachen. Und falls wir unser Leben nicht auf diese Weise leben, was gibt es denn sonst für uns zu tun?
Es ist eine gute Übung, sich selbst ganz aufrichtig zu fragen: »Warum wurde ich geboren?« Stell dir diese Frage dreimal am Tag, am Morgen, am Nachmittag und am Abend. Frage jeden Tag.
Der Buddha sagte seinem Schüler Ananda, er müsse die Unbeständigkeit und den Tod mit jedem Atemzug sehen. Wir müssen den Tod kennen; wir müssen sterben, um zu leben. Was bedeutet das?
Zu sterben bedeutet, an das Ende all unserer Zweifel, all unserer Fragen zu gelangen und nur hier in der gegenwärtigen Wirklichkeit zu sein. Du kannst niemals morgen sterben, du mußt jetzt sterben. Kannst du das tun? Ah, wie still, der Frieden, keine Fragen mehr zu haben!
Wahres Bemühen ist eine Sache des Geistes, nicht des Körpers. Verschiedene Methoden der Konzentration sind wie Mittel und Wege, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen – die wichtigste Sache ist, daß du dich ernährst, nicht, wie du es schaffst, an das Essen zu kommen. Wenn der Geist wirklich frei von Verlangen ist, entsteht Konzentration auf natürliche Weise, egal, mit welcher Aktivität du beschäftigt bist.
Drogen können bedeutungsvolle Erfahrungen herbeiführen, doch einer, der Drogen nimmt, hat keine Ursachen für solche Wirkungen geschaffen. Er hat nur zeitweise die Natur verändert, gleich einem Affen, dem man Hormone einspritzte, die ihn auf einen Baum emporschießen lassen, damit er Kokosnüsse pflückt. Solche Erfahrungen mögen wahr sein, aber nicht gut, oder gut, doch nicht wahr, wohingegen das Dharma immer gut und wahr ist.
Manchmal wollen wir den Geist zwingen, ruhig zu sein, und gerade dieses Bemühen macht ihn um so verstörter. Hören wir dann auf, ihn unter Druck zu setzen, entsteht etwas Konzentration. Aber im Zustand von Stille und Ruhe beginnen wir uns zu wundern: »Was ist los? Was passiert jetzt?« Und wir sind wieder aufgeregt.
Am Tag vor dem ersten Konzil der Mönche, kurz nach dem Eingehen des Buddha in das Parinirvana, ging einer der Mönche zu Ananda und sagte: »Morgen findet die Versammlung der Sangha statt. Alle, die teilnehmen werden, sind vollkommen erleuchtet.« Da Ananda zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollkommen erleuchtet war, entschloß er sich, die ganze Nacht lang mit großer Anstrengung zu praktizieren, um Erleuchtung zu finden. Doch am Ende machte er sich selbst bloß müde. Trotz all seiner Bemühungen erzielte er keinerlei Fortschritte, also entschloß er sich, loszulassen und ein wenig zu ruhen. Sobald sein Kopf das Kissen berührte, wurde er erleuchtet. Zum Schluß müssen wir lernen, auch das letzte Verlangen loszulassen, sogar das Verlangen nach Erleuchtung. Nur dann
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