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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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erneut ein Schatten von hinten überfällt. Mein Onkel Arne. An seine Stoppelfrisur habe ich mich immer noch nicht gewöhnt, er sah so schön lächerlich aus mit der ausgedünnten Freak-Frisur, dass ich es schon wieder gut fand. Zugegeben, so wirkt er jünger. Zumal ihm sein Bruder Cord, Jades Vater, vor Wochen in seinem Frankfurter Zahnlabor schneeweiße Zähne der Farbstufe A1 verpasst hat. Diesen Weißegrad besitzen sonst nur Teenies, wenn sie Glück mit den Genen haben und ihre Zähne penibelst pflegen. Als Strandkorbvermieter ist Arne immer braun gebrannt, was ihn ziemlich attraktiv aussehen lässt (da können Hautärzte warnen, so viel sie wollen).
    Arne schaut sich um, auch er war noch nie hier.
    «Was ist das denn?»
    Ich erkläre ihm, was es mit dem Steg auf sich hat.
    Arne ist empört: «Damit wollen die schwerkranke Menschen abspeisen?»
    Er klettert auf die Brüstung und kippelt darauf herum.
    Jetzt betritt Regina den Steg, unsere Gastgeberin sozusagen. Sie sieht angespannt aus, als sie uns begrüßt, und trägt immer noch die hautengen Jeans und das knappe T-Shirt von heute Morgen. Ihr Mann hat mir auf Arnes Strandparty gestern besorgt zugeflüstert, dass sie ihr Traumgewicht vor allem durch Abführpillen erreicht habe, Holger befürchtet, dass sie ihre Alkoholsucht durch eine neue Abhängigkeit ersetzt hat. Regina setzt sich zu mir auf die Bank, Arne bleibt auf der Brüstung hocken.
    «Die sollten die Senioren lieber auf einen Kutter packen und echte Fahrten mit ihnen machen», bollert er. «Auf die Halligen oder nach Sylt.»
    «Das würde die Verwirrten nur noch mehr verwirren», weiß Regina und erneuert ihren kirschroten Lipgloss. «Die brauchen regelmäßige Abläufe.»
    «Hat jemand mal die Betroffenen gefragt, wie die das finden?», schnarrt Arne.
    Die beiden Geschwister sind sechzehn Jahre auseinander und haben praktisch nie zusammen gelebt. Was ihre aggressive Empfindlichkeit füreinander noch unerklärlicher macht.
    «Die Reisen, die die im Kopf machen, strengen genug an.»
    Arne schüttelt den Kopf. «So etwas behaupten die Pfleger doch nur, weil sie sich selber nicht bewegen wollen, Hauptsache bequem.»
    «Ich habe jeden Tag im Optikerladen mit Alten zu tun», trumpft Regina auf. «Du kennst ja nur deine Surferteenies.»
    Arne hört gar nicht mehr hin. «Ich kann mir nicht vorstellen, wie das ist, wenn man alles vergisst», sinniert er leise.
    «Hast du noch nie was vergessen, oder was?», sagt Regina spitz.
    Arne lässt sich nicht ärgern, dafür kennt er seine Schwester einfach zu lange.
    «Meistens sagt man doch, ‹das habe ich total vergessen›, wenn man sich gerade an etwas erinnert», überlegt er. «Aber wenn es richtig weg ist, dann hat man es ja nicht vergessen, es ist dann so, als ob es nie da war.»
    «Mit Oma geht es so nicht mehr weiter!», sagt Regina unvermittelt.
    «Nun mal langsam», mische ich mich ein. «Wir wissen nicht mal, ob sie wirklich krank ist! Es kann doch auch eine vorübergehende Schwäche sein.»
    «Ich sehe, was ich sehe», ereifert sich Regina. «Der Brand! Und die Wohnung von Mama war so was von verkommen … Sie muss ins Heim, da kommen wir nicht drum herum.»
    «Meine Wohnung sieht viel schlimmer aus als ihre», poltert Arne. «Muss ich deswegen auch ins Heim?»
    Recht hat er.
    «Wenn Oma 35 wäre, fänden so ein kleines Malheur alle normal», gebe ich zu bedenken. «Nur weil sie 76 ist, tüten wir das ganz anders ein. Das muss doch alles nichts bedeuten.»
    «Genau!», pflichtet Arne mir bei.
    «Das ganze Haus hätte abbrennen können», hält Regina dagegen.
    «Ist es aber nicht.»
    «Und wenn es beim nächsten Mal passiert? Und andere dabei umkommen? Kannst du dann noch ruhig schlafen?»
    «Drama, Drama, Drama!», singe ich mit theatralischer Stimme. Aber ich weiß: Regina hat recht.
    Arne ist nun ernsthaft sauer auf seine Schwester: «Solange ich lebe, kommt Mama nichts ins Heim! Du bist richtig herzlos, Regina, das muss ich dir mal sagen.»
    «Nun mal langsam», bremst seine Schwester beleidigt. «Ich habe mir die Einrichtung auf dem Gelände angeschaut. Hier gibt es Wohngruppen mit zehn Leuten, die liebevoll betreut werden. Das ist besser, als man denkt.»
    «Du willst sie doch nur loswerden», wirft Arne seiner Schwester vor. «Mama würde durchdrehen in so einer Gruppe!»
    «Du hast echt keine Ahnung», sagt Regina. «Die Räume sind komplett im Fünfziger-Jahre-Stil eingerichtet, mit Nierentischen, Goldrandtapeten, Röhrenradios und so weiter.

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