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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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Zukunft, alles rückt weit weg und macht einer tiefen Zuversicht Platz.
    Wie kann das sein? Genau dasselbe habe ich bei den Seevögeln empfunden. Funktioniert das mit Shantys in einer Siebziger-Jahre-Schule genauso wie auf dem Deich im Sommersturm? Egal,
was
du singst, wenigstens du
singst
?
    Mehr davon!
    Die Herren sorgen unablässig für musikalischen Nachschub, und ich bin erstaunt, wie viele Shantys ich kenne: Hans Albers, «Rolling Home», «Wo die Nordseewellen trekken an den Strand». Die Lautstärke des Chores kommt niemals plump daher, sondern wird unglaublich fein abgestimmt auf den Vorsänger. Meine Vorurteile waren lächerlich, die Männer verstehen viel mehr von Musik als ich.
     
    Danach sitzen wir an den Schultischen zusammen, wir halten alle Bierflaschen in den Händen, die Hotelchef Ketels aus seiner großen Sporttasche gezaubert hat.
    «Klargekommen?», erkundigt sich Petersen.
    «Ihr seid richtig gut», lobe ich aus vollem Herzen. Wenn die nicht Shantys singen würden, sondern etwas anderes, wären die unglaublich erfolgreich.
    «Wieso singt ihr eigentlich Seemannslieder?», frage ich.
    Lükki grient sich einen. «Ganz einfach. In dieser sterilen Schule vor uns hinsingen, wäre zu öde. Mit Shantys bekommen wir eben die meisten Auftritte in dieser Gegend.»
    Ich kann das fast nicht glauben. «Und was hört ihr privat?»
    Der steife Fritz Jensen von der «Nordfriesischen Bank» lächelt freundlich: «Ich bin großer Anhänger des Original Blues, John Lee Hooker, wenn du den kennst.»
    Verwaltungsleiter Christian Rodiek mag finnischen Tango. Ich lache: «Tango aus Finnland?»
    Christian ist meine Unwissenheit leicht unangenehm: «Finnland ist Tangoland Nummer eins, wenn du die Zahl der Tänzer auf die Bevölkerungszahl umrechnest, noch vor Argentinien.»
    «Nee.»
    «Ist so.»
    Konditormeister Jens Jensen findet Tango grässlich, egal, wo er herkommt. «Ich bleibe bei den Stones.»
    Im Endergebnis hört niemand von ihnen privat Shantys, sondern singt sie ausschließlich bei den Knurrhähnen.
    Nach der Probe gibt es natürlich keine Zusagen wegen der Arche, das war auch nicht zu erwarten. Für den großen Durchbruch sorgt am nächsten Tag Oma – ausgerechnet im Museum «Kunst der Westküste»!

[zur Inhaltsübersicht]
14. Die Königin von Dänemark
    Oma kommt mit zwei Gläsern Portwein aus der Küche und setzt sich auf die Couch unter dem verräucherten Elefantenbild. Ihre Wohnung ist so akkurat aufgeräumt, wie seit Jahren nicht mehr. Der Brandgeruch hängt immer noch im Raum, vermischt sich aber jetzt mit dem fiesesten, schärfsten Scheuermittel, das ich je gerochen habe. Regina muss wie eine Furie durch die Räume gefegt sein. In einer verborgenen Ecke ihrer Putzkammer hortet sie bestimmt noch Mittel aus den Sechzigern, die wegen ihrer Schadstoffhaltigkeit nicht mal mehr von Nordkorea als Kampfmittel eingesetzt werden. Ich mochte Omas lässige Unordnung; jetzt liegen selbst die Zeitschriften streng auf Kante übereinander.
    «Wie sieht das hier bloß aus?»
    «Regina war nicht zu bremsen», seufzt Oma.
    Verstört setze ich mich neben sie. Die ukrainische Band draußen in der Kurmuschel beginnt gerade mit dem Udo-Jürgens-Lied «Ich war noch niemals in New York». Ich werde diesen Titel für den ganzen Tag nicht mehr aus dem Ohr bekommen, das weiß ich jetzt schon, aus irgendeinem Grund trifft das Lied bei mir auf eine extrem empfangsbereite Hirnregion.
    «Skål for gamle denmark», prostet mir Oma auf Dänisch zu.
    «Skål, Oma.»
    Sie sieht immer noch müde aus und sollte dringend etwas schlafen.
    «Wo steckt Jade?», frage ich. Die sollte doch Oma nicht aus den Augen lassen. Ich habe ihr sehr ins Gewissen geredet, dass wir uns alle auf sie verlassen und so weiter, und sie war damit einverstanden.
    «Die treibt sich mit dem Enkel von Dingsda herum, na, wie heißt er noch …»
    «Ocke?»
    Oma schaut mich erleichtert an. «… genau, mit Momme treibt sie sich rum.»
    Der Mofafahrer, der Oma mit dem Fahrrad vom Osterland nach Hause gezogen hat.
    «Warst du mal bei Dr. Behnke?»
    «Wieso? Sehe ich krank aus?»
    «Ich dachte nur, wegen deiner Schlafstörungen.» Ich tue so, als wäre das schon ein Thema gewesen, wobei ich auf ihre Vergesslichkeit setze. In Wirklichkeit habe ich mit Oma nie darüber geredet.
    «Was denn für Schlafstörungen?», wundert sie sich.
    «Haben wir darüber nicht neulich geredet?»
    Oma schaut mich besorgt an. «Du kannst dich nicht daran erinnern, worüber du mit mir

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