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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Ich lief hinter dem Wagen her. Als ich die Stelle erreichte, an der Gerswein lag, stand der BMW bereits neben der Leiche. Er war tot, daran gab es keinen Zweifel. Sie hatte ihn mit der zweiten Kugel zwischen die Augen getroffen.
    «Geh mir aus dem Weg, Mike», verlangte sie, als ich ihr zu nahe kam. Jetzt weinte sie, öffnete den Kofferraum. Für Sekunden stand sie aufrecht zwischen Wagen und Leiche. Ihr Schluchzen steigerte sich. Als ich mich nach Gerswein bücken wollte, fauchte sie mich an:
    «Rühr ihn bloß nicht an. Das mache ich ganz allein. Ich habe es meiner Mutter versprochen.» Sie ließ sich nicht helfen. Und sie hatte schließlich einen Kurs in erster Hilfe machen müssen für den Führerschein. Davon erzählte sie mir, während sie ihn einlud. Sie keuchte, aber sie beherrschte die Griffe, mit denen man eine bewegungsunfähige Person bergen kann, selbst wenn sie doppelt so schwer ist wie man selbst. Sie ächzte, als sie ihn endlich mit dem Oberkörper auf die Kante des Kofferraums gehievt hatte. Und ich stand einfach nur dabei. Mir ist, als hätte ich die ganze Zeit auf sie eingeredet, aber vielleicht waren es nur Gedanken. Wie soll es denn jetzt weitergehen, Candy? Du glaubst doch nicht, dass du ungeschoren davonkommst? Es wissen zu viele Leute, dass du mit ihm zusammen warst. Wenn ich das wirklich gesagt habe, kümmerte sie sich nicht darum. Sie stieg ein, nachdem sie den Deckel des Kofferraums über ihm zugeworfen hatte. Sie weinte immer noch, als sie erklärte:
    «Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte außer uns beiden kein Mensch etwas gewusst. Und du liebst mich doch, oder? Du hast es gesagt, Mike.» Dann hob sie eine Hand, als wolle sie mir noch einmal zuwinken. Aber als ich näher kam, schrie sie:
    «Hau ab, Mike! Hau endlich ab und lass mich in Ruhe.» Dann zog sie die Autotür zu, ließ den Motor aufheulen. Der BMW schoss auf dem weichen Boden vorwärts. Zu viel Gas, dachte ich, viel zu viel Gas. Die Reifen schleuderten Dreck und ein paar mickrige Grasbüschel nach allen Seiten. Vom Uferstreifen ging es im Bogen auf die Straße, der Wagen schlingerte, fing sich wieder. Ich wusste, dass ich sie nie wiedersehe, wenn ich ihr nicht folge. Und ich hatte auch ein schnelles Auto, sportlich, wendig, noch etwas schneller als der schwere BMW. Ich hetzte zurück zum Parkplatz, warf mich in meinen Flitzer und fuhr ihr hinterher, irgendwo auf eine Landstraße. Ich weiß nicht wo, weil ich nicht darauf geachtet habe. Nur den BMW nicht aus den Augen verlieren. Und so viel Fahrpraxis konnte sie noch nicht haben, sich mit mir eine wilde Verfolgungsjagd zu liefern und zu entkommen. Sie hat sich bestimmt mehrfach nach mir umgedreht, statt in die Rückspiegel zu schauen. Sie wusste doch, dass ich hinter ihr war. Und dann war da diese Überführung, ein Betonpfeiler. Es ging alles rasend schnell, auch wenn ich immer noch das Gefühl habe, es hätte Jahre gedauert, den BMW in ein Blechknäuel zu verwandeln. Dass ich angehalten habe und mit mir zwei oder drei andere Fahrer; ich kann mich nicht daran erinnern. Ich weiß nicht, wer die Unfallstelle gesichert und die Rettungskräfte alarmiert hat. Ich weiß nur noch, dass ich auf Knien neben diesem Blechhaufen lag und überhaupt nichts tun konnte, sie nicht einmal in den Arm nehmen. Und sie weiß Gott nicht aus dem Wrack herausziehen. Ich konnte durch die zerborstene Scheibe nur immer wieder über ihr Gesicht streicheln. Nach einer Weile schlug sie die Augen auf, lächelte mich an. Sie lächelte tatsächlich.
    «Mike», sagte sie,«du bist ja immer noch da. Du gibst wohl nie auf, was? Aber es ist gut, dass du da bist.» Ihre Stimme war nur ein undeutliches Murmeln. Die einzelnen Worte kamen mit großem Abstand dazwischen. Ich verstand sie trotzdem, verstand alles, auch den Fluch:
    «Verdammter Mist. Ich dachte, ich hätte es geschafft. Aber wenn ich schon mal denke. Mami hat mal gesagt, ich solle das Denken den Pferden überlassen, die hätten größere Köpfe. Das ist schon lange her, Mike, da war ich noch klein. Ich weiß gar nicht mehr, warum sie es gesagt hat. Aber dass ich es gut fand, das weiß ich noch. Ich wollte so gerne ein Pferd haben und dachte, nun würde ich eins bekommen, damit es für mich denkt. Mami hat mir aber kein Pferd gekauft.» Etliche Sekunden Schweigen, dann flüsterte sie:
    «Es tut überhaupt nicht weh, Mike, kein bisschen, wirklich nicht. Es ist nur ein komisches Gefühl. – Wirst du Mami sagen, was ich getan habe? Sag es ihr nicht, Mike,

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