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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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ebenfalls. Und in meinem Hinterkopf sagte Gerswein noch einmal:
    «Sei lieb und zieh das schwarze Kleid an.» Mir war speiübel. Außer dem Frühstück hatte ich nichts im Magen. Es kam nur eine ätzende Brühe hoch, ich würgte mir daran fast den Magen selbst heraus. Die Hand hielt ich auf dem Abdrücker des Spülkastens. Zuerst bemerkte ich nichts. Aber dann kam nichts mehr, nur der Brechreiz dauerte noch an, der Magen krampfte sich immer noch schmerzhaft zusammen. Ich richtete mich auf, drückte noch einmal auf die Wasserspülung. Und da fiel mir endlich auf, dass der Deckel nicht fest auf dem Spülkasten lag. Ich hatte den Deckel noch nie abgenommen. Als ich ihn anhob, sah ich die breiten Klebestreifen an der Unterseite. Isolierband – und ein wasserdichter Plastikbeutel, in dem noch ein öliges Tuch steckte. Darüber kam mein Magen seltsamerweise zur Ruhe. In Kriminalfilmen hatte ich öfter gesehen, wie eine Pistole wasserdicht verpackt und mit Klebeband im Spülkasten einer Toilette versteckt wurde. Ich sah im Geist auch noch einmal diesen kleinen, metallischen Gegenstand aus ihrem Schlafsack rollen und unter meinem Bett verschwinden, sah mich die Patrone aus dem Staubbeutel fischen. Ob mir auch das leise Klirren wieder einfiel, mit dem ihre Reisetasche am letzten Freitagabend im Juni auf die Fliesen in meiner Diele aufgeschlagen war, könnte ich nicht sagen. Aber ich hatte noch nie einen Gegenstand in der Tasche gesehen, der ein Klirren verursacht haben könnte. Ich wusste, dass Gerswein für sie wirklich nur ein Stück Dreck war. Für mich war er noch weniger. Aber er war auch ein Stammkunde der Agentur. Und wir hatten dafür zu sorgen, dass jeder Schaden von unseren Kunden abgewendet wurde. Mit dem Gedanken ging ich zum Wagen und fuhr zu seinem Liebesnest. Ich wollte ihn aus der Wohnung klingeln, wie Philipp Assmann es am vergangenen Nachmittag hätte tun sollen.
    «Guten Tag, Herr Gerswein. Ich komme von der Agentur Hamacher. Wir haben noch Erkenntnisse gewonnen, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten.» Nachdem ich dreimal erfolglos auf den Klingelknopf gedrückt hatte, war ich mit meinem Berufsethos bereits wieder am Ende, fuhr wieder heim und versuchte mir einzureden, dass sie nicht mit ihm zusammen sein könne. Es hatte doch gestern geheißen, er hätte Urlaub und wäre mit der gnädigen Frau unterwegs. Aber gestern war gestern. Mein Magen rebellierte erneut. Ich trank ein halbes Glas Cola gegen die Übelkeit. Es half tatsächlich. Ich dachte, dass ich vielleicht auch etwas essen sollte. Nur eine Kleinigkeit, ein paar kalte Ravioli oder etwas Thunfisch direkt aus der Dose. Und als ich den Vorratsschrank öffnete, fiel mir die kleine Schmuckschachtel in die Finger. Sie war leer. Ich hätte in der Agentur Bescheid sagen müssen, dass Candy mit der Wanze am Hals unterwegs war und ich es für denkbar hielt, dass sie Gerswein nun zu ihrer Mutter bringen wollte – ob er dahin wollte oder nicht. Ich wollte auch anrufen. Aber eine Sendereichweite von dreihundert Metern im Freien, das ist in einer Stadt wie Köln die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Sie konnten überall sein. Ich kannte nur noch einen Platz, konnte mir jedoch nicht vorstellen, dass Gerswein sie freiwillig dorthin begleitet hatte. Vielleicht war sie allein dort, nahm Abschied von ihrem Ursprungsort. Vielleicht. Vielleicht. Vielleicht. Man findet viele Vielleicht, wenn man die Wahrheit kennt, aber nicht wahrhaben will. Wieder runter zum Auto, Richtung Niehler Hafen, die Straße Am Molenkopf entlang. Ich wusste nicht, welches Auto Gerswein fuhr, aber als ich den er BMW sah, wusste ich Bescheid. Ich stellte meinen Mercedes daneben ab und lief hinunter zum Uferstreifen, verlangsamte meine Schritte erst, als ich sie sah. Fast wie ein Liebespaar standen sie neben dem weißen Stein mit den drei schwarzen Ziffern. Stromkilometer . Es sah überhaupt nicht gefährlich aus. Gerswein hatte beide Hände an ihre Taille gelegt. Ihr linker Arm lag in seinem Nacken, ihre rechte Hand steckte in der ausgebeulten Jackentasche. Es sah aus, als streichle sie durch den Stoff über seinen Hosenstall. Trotz der hochhackigen roten Sandaletten stand sie auf Zehenspitzen. Unter der Blousonjacke trug sie das schwarze Kleid, dessen Saum hochgerutscht war und ein bisschen weißer Spitze sehen ließ. Holger Gerswein, der schöne Mann mit der sonnenbraunen Haut, war nicht mehr braun. Er war gelb im Gesicht.
    «Jetzt hör auf mit dem Blödsinn», hörte ich ihn sagen.

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