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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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bitte. Sie findet das bestimmt nicht gut. Sie hat einmal gesagt: Man muss vergeben und vergessen können, damit man Freude am Leben hat. Sonst macht man sich das Leben kaputt. Ich wollte mir nichts kaputtmachen, Mike. Aber sie hätten mich nicht all die Jahre belügen dürfen. Du findest es doch auch nicht gut, wenn man immerzu belogen wird, oder?»
    «Nein», sagte ich,«das finde ich gar nicht gut.»
    «Ich weiß», murmelte sie.
    «Sag Mami, dass ich sie sehr lieb habe, ehrlich, genauso lieb wie dich.» Und dann, nach über einer Minute:
    «Meine Beine, Mike. Kannst du sehen, was mit meinen Beinen ist? Ich kann das linke gar nicht fühlen. Das rechte auch nicht.»
    «Sie sind eingeklemmt», sagte ich.
    «Ach so.» Als ob es eine ganz alltägliche Angelegenheit sei. Ich glaube, sie wusste besser als ich, dass es ihre letzten Minuten waren.
    «Du darfst nicht so viel reden», sagte ich.
    «Aber ich muss dir noch so viel sagen, Mike.» Einer der anderen Fahrer, die angehalten hatten, entdeckte Gersweins Leiche. Sie war aus dem Kofferraum geschleudert worden und lag etliche Meter weiter bei einem Gebüsch. Zwei Männer liefen hin. Sie schaute ihnen nach und sagte:
    «Ich weiß, dass du es nicht verstehst, Mike. Ich weiß auch, dass ich dir furchtbar wehgetan habe damit. Aber ich musste mit ihm schlafen. Sonst hätte er mich doch überhaupt nicht beachtet. Ich dachte, es bringt mich um. Aber das habe ich überlebt, weil du da warst. Du warst so lieb, Mike. Ich wollte dir wirklich nicht wehtun. Ich wollte Babys mit dir. Das war nicht gelogen. Glaubst du mir das? Nein, du glaubst mir gar nichts mehr. Aber das musst du mir glauben, Mike. Glaubst du mir? Ich liebe dich doch. Ich wollte gar nicht für immer weg von dir, Mike. Ich wollte ihn nur wegschaffen, dann wäre ich zurückgekommen. Und wenn dann jemand gefragt hätte, ob ich mit ihm zusammen war, hättest du sagen können, ich wäre die ganze Zeit bei dir gewesen. So hatte ich mir das vorgestellt. Glaubst du mir das?»
    «Ja», sagte ich.
    «Aber du glaubst nicht, dass ich jetzt für immer bei dir bleibe. An so etwas glaubst du ja nicht.»
    «Doch», sagte ich. Danach schaute sie mich nur noch an. Ihr kleines Gesicht schien zu schrumpfen und verlor dabei jede Farbe. Ich ahnte mehr, als ich wusste, dass sie schwere innere Verletzungen haben musste. Der Motorblock lag in ihrem Schoß. Sie verblutete. Man sagt viel in solchen Augenblicken. Und man kann einfach nicht genug sagen, längst nicht alles, was noch wichtig wäre. Gebettelt habe ich, dass wir alles in Ordnung bringen, dass ich ihr beistehe, auf sie warte, dass sie durchhalten muss. Weil ich sie liebe, weil ich sie brauche, weil ich mir nicht vorstellen kann, ohne sie weiterzuleben. Was ist das? Egoismus? Du musst durchhalten, Candy! Durchhalten, für die Polizei, den Staatsanwalt, für Richter und Geschworene, für die Gefängniswärterinnen! Du musst durchhalten, Candy. Lass mich nicht allein. Sie starb ein paar Minuten bevor der Rettungswagen und der Notarzt eintrafen. Wie es weiterging, weiß ich nicht. Sie sagten, ich hätte getobt, einen der Sanitäter zusammengeschlagen, der mich vom Wrack und von ihr wegziehen wollte. Kann sein, ich erinnere mich wirklich nicht, auch nicht daran, dass mich zwei Männer festhielten, damit der Notarzt mich ruhig stellen konnte. Meine Erinnerung setzt erst wieder ein mit dem Gesicht eines Polizisten. Das muss irgendwann in der Nacht gewesen sein. Ich lag in einem Krankenhaus. Der Polizist war nicht allein, wechselte sich mit seinem Kollegen ab. Sie hatten unendlich viele Fragen. Nur hatte ich noch keine Antworten für sie. Es war noch viel zu früh für Antworten. Es ging nicht darum, ob ich sie in den Tod gehetzt hatte. Mag sein, dass einer der anderen Unfallzeugen darauf hingewiesen hatte. Aber da war Gersweins Leiche, die nachweislich im Kofferraum seines eigenen Wagens transportiert worden war und zwei Schussverletzungen aufwies. Mit der Beretta in Candys Jackentasche war ich nur ein Zeuge. Die Polizisten zeigten Verständnis für meine Verfassung. Ich könne meine Aussage auch im Laufe des Tages im Präsidium machen, sagten sie und fuhren mich sogar nach Hause. Ich war ja nicht verletzt, nicht körperlich. Dann lag ich auf der kleinen Couch in meiner Wohnung, wo sie noch so gegenwärtig war, dass ich sie fühlte mit jeder Faser. Gegen Morgen kam Hamacher. Er brachte ein Bandgerät mit. Philipp Assmanns zweiter Anruf aus Hamburg. Aufgespürt hatte Philipp die komplette

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