Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
Vom Netzwerk:
abzubrechen. Blieb nur ich, der dann eben seinen restlichen Kurzurlaub opfern und beruflich tun müsste, was er privat und unentgeltlich hatte erledigen wollen. Ich hätte ihr besser gesagt, was ich mache, dachte ich und war durchaus geneigt, ihr noch länger Quartier zu bieten, auch wenn ich selbst unterwegs wäre, um Helgas große Liebe aufzuspüren. Allein beim Gedanken, Candy in meiner Wohnung anzutreffen, wenn ich heimkäme, flatterte mein Herz – dem gerechten Zorn des stolzen Autobesitzers und ihrem aggressiven Verhalten vom vergangenen Nachmittag und Abend zum Trotz – ein wenig. Aber dann sollte ich in Erfahrung bringen, wen genau ich bei mir aufgenommen hatte. Im Schlafzimmer legte ich den Schnellhefter sofort zu den anderen Unterlagen der Firma Mader in den Kleiderschrank. Dann machte ich mich erneut und diesmal gründlich über Candys Gepäck her. Im Rucksack steckten nur ein Häufchen getragener Wäsche und der zusammengerollte Schlafsack. Ich zog ihn nicht völlig heraus, wickelte ihn auch nicht auseinander, zerrte die Rolle nur ein Stück weit heraus, um festzustellen, ob noch etwas darunter lag, aber da war nichts. Bei der Gelegenheit kullerte etwas über den Fußboden und verschwand so rasch unter meinem Bett, dass ich es nur aus den Augenwinkeln sah. Ich meinte, es wäre eine Münze gewesen, ein Groschen vielleicht. Ob dieser kleine, metallische Gegenstand aus der Schlafsackrolle oder der getragenen Wäsche gefallen war, hätte ich nicht sagen können. Ich kümmerte mich auch nicht weiter darum, sondern räumte nun systematisch die Tasche aus. T-Shirts, Jeans, zwei Shorts, einige Garnituren Unterwäsche in Weiß, Gelb und Lindgrün, der selbst gestrickte Pullover, was ein junges Mädchen eben so mitnimmt, wenn es für einige Wochen aufbricht, um Tante Gertrud zu be- und Muttileins große Liebe zu suchen. Ganz unten lag ein zusammengerolltes, schlauchförmiges Etwas aus schwarzem, dehnbarem, mit Gummizügen gerafftem Material. Wenn ich nicht später gesehen hätte, dass es sich um ein Kleid handelte, von allein wäre ich darauf nicht gekommen. Bei manchen Dingen fehlte mir wirklich die Phantasie. Im schwarzen Schlauch waren Fotoalbum und Büchlein – ohne die losen, beschriebenen Seiten – eingewickelt. Wo letztere abgeblieben waren, fragte ich mich nicht lange. Ich nahm an, Candy hätte sie in den Müll geworfen. Das Album legte ich zur Seite, widmete mich erst mal dem Buch. Die kleine Goldprägung auf dem Rücken stellte tatsächlich ein Paar gefalteter Hände dar. Vorne auf dem abgegriffenen Einband gab es die Prägung nochmal größer. Der lederne Einband hatte sich von der festen Pappe gelöst, sodass eine Tasche entstanden war, bestimmt nicht von selbst. An ein paar Stellen sah die auf der Innenseite mit winzigen Palmzweigen bedruckte Pappe aus, als wäre sie mit einem Messerchen bearbeitet worden. Wahrscheinlich war es mal ein Gebetbuch gewesen, für eine Bibel erschien es mir bei näherer Betrachtung zu klein. Seinem ursprünglichen Zweck konnte das Büchlein kaum noch dienen. Mit großer Sorgfalt und vermutlich einem scharfen Messer oder einer Rasierklinge waren die ursprünglichen Seiten entfernt und durch andere ersetzt worden. Ein schmaler Streifen Papier war geblieben und diente als Halt für einen Klebestreifen. Wie viele Seiten eingeklebt worden waren, konnte ich beim bloßen Durchblättern nicht feststellen. Und lesen konnte ich kein einziges Wort. In der rundlichen Handschrift eines jungen Mädchens waren die Buchstaben zu sinnlosen Kombinationen aneinandergereiht. Weiter hinten entdeckte ich auch winzige, aber sehr detaillierte Zeichnungen, bei denen kein Zweifel aufkommen konnte, was sie darstellen sollten. Löwenköpfe, Herzchen und Erdkugeln. Dass Candy sich diese Mühe gemacht haben sollte, zog ich nicht in Betracht. Ich glaubte, beim Anblick der Löwenhäupter zu begreifen, wer diese Seiten beschrieben haben musste. Und heißt es nicht:
    «Wer lügt, der stiehlt auch.» Der Himmel allein wusste, was Helga den eingeklebten Seiten anvertraut hatte. Jedenfalls hatte sie damit die Neugier und den Ehrgeiz ihrer Tochter geweckt. Candys Bemühen mit den losen Blättern bekamen damit einen Sinn, Übersetzungen. Auch ihr ratloses Kauen auf dem Stift leuchtete ein. Sie war mit ihrer Weisheit am Ende gewesen. Mein Zorn über die unerlaubte Inbesitznahme meines Wagens war schon fast völlig verraucht. Sie fuhr ja auch ganz manierlich. Angesichts der Hieroglyphen in dem ehemaligen

Weitere Kostenlose Bücher