Ein süßer Sommer
die Stirn runzelte.
«Seinen Namen wissen Sie wirklich nicht?», fragte er.
«Nicht einmal den Vornamen?» Candy schüttelte den Kopf, ihr Gesicht wurde vom Anflug eines um Wohlwollen bettelnden Lächelns überzogen, das sofort wieder erlosch, weil Hamacher es nicht erwiderte. Ersatzweise schlug sie die Beine übereinander. Aber Hamacher hielt den Blick nun auf ihr Gesicht gerichtet und lauschte ihren Ausführungen. Viel wusste sie wahrhaftig nicht. Der Mann auf dem Foto habe zumindest in Köln-Sülz gelebt und als Gastdozent an der Universität unterrichtet, meinte sie. In Ermangelung anderer Fakten erzählte sie, was sie den Vormittag über getan hatte. Mit dem Bild die Universität heimgesucht – und wahrscheinlich für geraume Zeit das Sekretariat lahm gelegt. Anschließend war sie bei einem Straßenverkehrsamt gewesen – weil auf dem Foto nicht nur ein Mann, sondern auch ein schwarzer Porsche abgebildet war. Erreicht hatte sie jedoch nichts. Logisch, auf Ämtern bekamen Privatpersonen keine Auskunft. Danach hatte sie noch ein paar Detektive in ihren Büros begutachtet und sich für den Besten entschieden. Hamacher gestattete sich ob dieser Schmeichelei ein Grinsen und jetzt doch einen Blick auf die übereinander geschlagenen Schenkel. Dann wollte er wissen, wie sie sich das vorstelle. Ob er seine Mitarbeiter mit dem Foto in der Stadt herumlaufen, es Passanten auf den Straßen vorhalten oder Lokale damit abklappern lassen sollte.
«Man kann doch das Autokennzeichen gut lesen», sagte Candy. Ihr Ton machte deutlich, dass sie darauf ihre gesamte Hoffnung setzte. Vergebliche Hoffnungen. Bei den Straßenverkehrsämtern wurden die Daten vier Jahre nach der Stilllegung eines Fahrzeugs gelöscht. Das Foto musste mindestens zwanzig Jahre alt sein. So lange hielten nur Liebhaberfahrzeuge, die sorgsam gepflegt wurden. Hamacher erklärte ihr das.
«Wenn Sie nicht mehr haben als dieses Foto», sagte er,«und nicht mehr wissen, als dass dieser Mann vor zwanzig Jahren in Köln-Sülz gelebt hat und zu der Zeit einen Porsche fuhr, ist das bitter wenig, und es macht die Suche völlig aussichtslos. Man muss auch die Kosten bedenken, nicht wahr?»
«Die spielen keine Rolle», erklärte Candy, löste ihren Gürtel, zog den Reißverschluss an der Innenseite auf, zerrte Bündel um Bündel die Geldscheine heraus und stapelte sie auf dem Couchtisch.
«Das sind siebentausend Mark.» Kurze Pause.
«Wenn das nicht reichen sollte …» Sie sprach nicht weiter. Stattdessen zupften ihre Finger wieder am Rocksaum, doch diesmal zogen sie ihn nicht nach unten, im Gegenteil. Ihr linker Fuß mit der aufreizenden Sandale wippte leicht. Ich konnte es kaum fassen, aber es sah so aus, als deute sie an, dass sie sich auch auf andere Weise erkenntlich zeigen könne. Hamacher ignorierte ihre Bemühungen und entschloss sich, ein wenig direkter vorzugehen, um sie loszuwerden.
«Es tut mir wirklich sehr Leid, Frau – Schmitt.» Da war sie wieder, die Pause vor dem Namen.
«Aber ich kann Ihnen absolut keine Hoffnungen machen. Ich kann mir vorstellen, dass Ihnen die Sache viel bedeutet. Sonst wären Sie nicht hier.» Candy stellte das Fußwippen ein und schüttelte den Kopf. Ihre Lippen zuckten.
«Sie können sich nicht vorstellen», sagte sie, und das kleine Wörtchen
«nicht» klang wie ein Hammerschlag,«wie viel mir diese Sache bedeutet. Dieser Mann war nicht einfach nur ein Freund meiner Mutter. Er war ein sehr guter Freund. Und ich würde alles tun, um ihn zu finden.» Deutlicher muss niemand werden, um die große Liebe begreiflich zu machen und die eigene Entschlossenheit. Ihre Stimme tat ein Übriges. Da war er wieder, dieser Trauerflor, den ich schon mehrfach bemerkt hatte, wenn sie von ihrer Mutter sprach. Ihre Kehle ruckte, sie musste schlucken, bevor sie es aussprechen konnte.
«Meine Mutter hat ein paar wundervolle Monate mit diesem Mann verbracht. Leider war er zu der Zeit noch gebunden, deshalb hat sie die Beziehung beendet.» Das hatte sie mir ja auch erzählt. Auf dem Monitor senkte sie den Kopf, nestelte wieder am Rocksaum und erklärte mit merklich gedämpfter Stimme, was sie mir gegenüber ganz anders dargestellt oder einfach verschwiegen hatte:
«Meine Mutter hat nichts von ihrem Leben gehabt, gar nichts, von den wenigen Monaten hier in Köln einmal abgesehen. Mein Vater ist Wissenschaftler – mit Leib und Seele, wenn Sie verstehen. Die Familie kam für ihn immer an zweiter Stelle. Er hat uns lieb – auf seine Weise.
Weitere Kostenlose Bücher