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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Leidensgeschichte und Candys inbrünstige Bitten an Hamacher. Und ich sagte:
    «Ich wurde gegen Mittag ins Büro gerufen, Candy. Als ich in die Eingangshalle kam, fuhr der Aufzug gerade nach oben. Ich weiß, dass du im zweiten Stock warst. Wir machen die Steuererklärungen für die Agentur Hamacher.» Ich konnte es längst nicht so perfekt wie sie, aber ich war ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Und ihr jetzt zu gestehen, dass dieser Mann ohne Herz mein Arbeitgeber war, hielt ich nicht für gut. Mein erster Satz hatte ihren Redefluss unterbrochen, mein letzter veranlasste sie zur Aufmerksamkeit. Ich sprach ruhig weiter.
    «Ich musste ohnehin zu Hamacher und hörte, wie die Empfangsdame und seine Sekretärin über dich sprachen. Dein Kostüm war nicht ganz nach ihrem Geschmack. Ich habe mich bei Hamacher nach dir erkundigt. Als er hörte, dass ich dich kenne, hat er mir ein Band gezeigt. Ein Videoband, Candy. Er hat das gesamte Gespräch mit dir aufgezeichnet.»
    «Das ist ja eine Unverschämtheit», begehrte sie auf.
    «Wie kommt dieser Mensch dazu? Der darf mich doch nicht filmen, ohne zu fragen, ob ich einverstanden bin.»
    «Doch, darf er», behauptete ich.
    «In seinen Räumen dürfte er sogar den Papst filmen, aber der wird ihn wohl nie besuchen.»
    «Aber er darf niemandem erzählen, warum ich bei ihm war. Er hat doch Schweigepflicht. Dem werde ich …» Ihre rechte Hand fuhr mitsamt dem Messer auf und ab. Ich griff nach dem Handgelenk und hielt es fest, damit sie sich nicht noch verletzte.
    «Detektive haben keine Schweigepflicht. Bei der Polizei müssen sie sogar Auskunft geben. Warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt, Candy?» Sie senkte den Kopf und betrachtete die Reste auf ihrem Teller. Nach einer halben Ewigkeit hob sie den Kopf wieder, schaute mir ins Gesicht und erklärte:
    «Ich wollte dich damit nicht belasten, Mike. Ich will kein Mitleid, deshalb gehe ich damit nicht hausieren. Oder soll ich mir ein großes Schild um den Hals hängen? Ich möchte den letzten Wunsch meiner Mutter erfüllen.»
    «Ist es ihr letzter Wunsch?», fragte ich.
    «Oder glaubst du nur, ihr damit einen Gefallen zu tun? Vielleicht will sie den Mann gar nicht wiedersehen. Er hat sie damals belogen. Für ihn war sie vielleicht nur eine kleine Affäre. Und ich könnte mir vorstellen, dass sie das weiß. Ich meine, Hamacher hat nicht völlig Unrecht, wenn er sagt, es müsse Gründe geben, wenn sie seinen Namen verschweigt.» Ein gallebitteres Lachen.
    «Du hast doch keine Ahnung, Mike. Ihr habt alle keine Ahnung. Männer! Was wisst ihr denn, wie einer Frau zumute ist, deren Leben vergeudet wurde? Meine Mutter verschweigt nicht bloß seinen Namen, sie verschweigt alles. Immer nur lächeln, immer vergnügt, und wie es drinnen aussieht, geht niemand was an. Kennst du die Operette: Land des Lächelns? Das ist ihr Lieblingslied. Ich könnte heulen, wenn sie diese Platte auflegt und auch noch mitsingt.» Bei den nächsten Worten troff ihre Stimme vor Sarkasmus:
    «Nein, Schätzchen, ich habe keine Schmerzen, meine Organe mögen sich auflösen, ich mag innerlich verfaulen, aber es geht mir gut, ich fühle mich wunderbar. Würde ich sonst singen?» Dann kippte ihre Stimme wieder.
    «Sie tun, als wäre überhaupt nichts. Immer belügen sie mich. Immer schicken sie mich weg, wenn es kritisch wird. Jetzt auch wieder. Mach dir eine schöne Zeit, Schätzchen. Sie denken, ich merke nichts. Bis vor einem halben Jahr wusste ich auch nicht, wie schlimm es wirklich ist. Dass sie oft krank war, habe ich natürlich gemerkt, obwohl sie versucht hat, sogar das vor mir zu verbergen. Sie haben mir nicht einmal erklärt, warum sie vor zwei Jahren unbedingt zurück nach Hamburg wollte und warum Dad sofort nachgab, obwohl er dafür seinen heißgeliebten Job aufgeben musste. Aber sie wollte nicht in Philadelphia sterben. Sie will in Hamburg beerdigt werden. Wir haben dort ein Familiengrab, da liegen auch ihre Eltern.» Ein Schniefen, ein rascher Handstrich über die Augen.
    «Vor drei Monaten habe ich selbst einmal mit ihrem Arzt gesprochen. Und ich dachte …» Sie sprach den Satz nicht zu Ende, winkte ab.
    «Vergiss es, Mike. Vergiss es einfach wieder. Wen interessiert denn, wie es bei uns zugeht und was ich dachte?»
    «Mich interessiert es», sagte ich. Sekundenlang betrachtete sie mich, skeptisch und zweifelnd, atmete vernehmlich durch und zuckte mit den Achseln.
    «Ich hatte mir das wohl viel zu einfach vorgestellt. Dass ich herkomme und jeder mir

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