Ein süßer Traum (German Edition)
Welt, hier ein paar Millionen Tote, da ein paar Millionen Tote, und du: Komm doch herein und fühl dich wie zu Hause, ich lecke deine Wunden, dann geht es dir besser.« Er klang, als hätten ihn Jahre einer unglücklichen Kindheit in den Boden gestampft, und er sah wirklich aus wie ein kleiner Junge, mit Tränen in den Augen und zitternden Lippen. Und Vicious verließ seinen Stuhl und lief zu seinem Herrchen, sprang auf sein Knie und fing an, ihm das Gesicht zu lecken. Colin drückte sein Gesicht fest an den Rücken des winzigen Hundes, um es zu verstecken. Dann hob er den Kopf und sagte: »Wo nehmt ihr das bloß her, ihr alle? Wer zum Teufel
seid
ihr denn – lauter Weltenretter, die nur Wüste hinterlassen … Ist dir das klar? Wir sind alle verkorkst. Wusstest du, dass Sophie von Gaskammern träumt, wo doch niemand aus ihrer Familie auch nur in deren Nähe war?« Er stand auf und drückte den Hund an sich.
»Warte einen Moment, Colin …«
»Wir haben uns mit dem Hauptpunkt der Agenda beschäftigt – mit Sophie. Sie ist unglücklich. Sie wird weiter unglücklich sein. Sie wird Andrew unglücklich machen. Dann wird sie jemand anderen finden und weiter unglücklich sein.«
Er rannte aus der Küche und die Treppe hinauf, und der kleine Hund bellte in seinen Armen sein hohes, absurdes Kläff, Kläff, Kläff.
In Julias Haus ging etwas vor, von dem niemand aus der Familie etwas wusste. Wilhelm und Julia wollten heiraten, oder Wilhelm sollte zumindest einziehen. Er beklagte sich, zunächst im Scherz, er sei gezwungen, wie ein Teenager zu leben, mit seltenen Stelldicheins, wenn er im Cosmo seine Geliebte traf oder mit ihr ein Restaurant besuchte; er verbringe zwar den ganzen Tag und die halbe Nacht mit Julia, aber dann müsse er nach Hause gehen. Julia wich alldem aus und machte Witze darüber, dass sie sich zumindest nicht wie die Teenager nach einem Bett sehnte. Worauf er antwortete, dass ein Bett mehr bedeute als Sex. Offenbar erinnerte er sich an Zärtlichkeiten und an Gespräche im Dunkeln über den Lauf der Welt. Julia fragte sich, wie es wäre, nach so vielen Jahren als Witwe ein Bett zu teilen, verstand aber allmählich, was er meinte. Sie fühlte sich immer unwohl dabei, bequem in ihrem Zimmer zu bleiben, während er nach Hause gehen musste, bei welchem Wetter auch immer. Er war in einer sehr großen Wohnung zu Hause, in der er früher mit seiner Frau, die lange tot war, und zwei Kindern gewohnt hatte, die jetzt in Amerika lebten. Jetzt war er kaum noch in dieser Wohnung. Er war kein armer Mann, aber es war unvernünftig, diese Wohnung mit Portier und kleinem Garten zu halten, während es Julias großes Haus gab. Sie sprachen darüber, stritten dann und zankten, wie man alles arrangieren könnte.
Dass Wilhelm mit Julia in den vier kleinen Zimmern wohnte, die für sie allein genügten – das kam nicht in Frage. Und was sollte er mit seinen Büchern machen? Er hatte Tausende, manche gehörten zu dem Bestand aus seiner Buchhandlung. Colin hatte die Etage unter Julia übernommen und Andrews Zimmer kolonisiert. Man konnte ihn nicht bitten umzuziehen – warum sollte er? Von allen Leuten im Haus, bis auf Julia selbst, brauchte er am dringendsten seinen Platz, seinen kleinen, sicheren Platz auf der Welt. Unter Colin bewohnte Frances zwei geräumige Zimmer und ein kleines. Und auf dieser Etage war das Zimmer, das Sylvia gehörte, wenn sie auch nur einmal im Monat kam. Es war ihr Zuhause, und das musste so bleiben.
Aber warum sollte man Frances nicht bitten auszuziehen? – wollte Wilhelm wissen. Sie verdiente doch inzwischen genügend Geld? Aber Julia lehnte ab. Für sie war Frances eine Frau, die von der Familie Lennox dafür benutzt worden war, zwei Söhne aufzuziehen, und jetzt – hinaus. Julia hatte nie vergessen, wie Johnny verlangt hatte, dass sie wegzog, als Philip starb, in irgendeine kleine Wohnung.
Unter Frances war das große Wohnzimmer, das sich von der Front des Hauses bis zur Rückseite erstreckte. Vielleicht passten noch mehr Regale für Wilhelms Bücher hinein? Doch Wilhelm wusste, Julia wollte nicht, dass dieser Raum geopfert wurde. Es blieb noch Phyllida. Inzwischen konnte sie sich durchaus eine eigene Wohnung leisten. Sie hatte das Geld, das Sylvia ihr abgetreten hatte, und sie verdiente regelmäßig Geld als Medium und Wahrsagerin und – zunehmend – als Therapeutin. Als die Familie hörte, dass Phyllida jetzt Therapeutin war, nahmen die Witze kein Ende, die alle in dieselbe
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