Ein süßer Traum (German Edition)
eine so ernsthafte, gewissenhafte Recherche, für das unendlich öde Wühlen in Fakten, Figuren, Regierungsberichten, Geschichte, für die Arbeit, die Gesetze und Meinungen ändert und Gerechtigkeit schafft.
Und auf dieses Stadium sollte ein anderes folgen, wie es in der Natur der Sache liegt.
Inzwischen musste Frances feststellen, dass die Arbeit für den
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und das Leben als Johnnys Frau ganz ähnlich waren: Sie musste den Mund halten und sich ihren Teil denken. Deswegen hatte sie immer so viel Arbeit mit nach Hause genommen. Wenn man seine Meinung für sich behielt, verlor man sie schließlich, man laugte aus; sie hatte viel zu lange gebraucht, um zu erkennen, dass viele Journalisten, die für den
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arbeiteten, Nachkommen der Genossen waren, auch wenn man sie eine Weile kennen musste, bevor sich das erwies. Wenn jemand rot erzogen worden war, behielt er das für sich – zu kompliziert zu erklären. Aber wenn andere im selben Boot saßen? Es war aber nicht nur der
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. Erstaunlich, wie oft man hörte: »Weißt du, meine Eltern waren in der Partei.« Eine Generation von inzwischen diskreditierten Gläubigen hatte Kinder geboren, die den Glauben der Eltern verleugneten, doch ihre Hingabe bewunderten, zuerst heimlich und dann offen. Diese Treue! Diese Leidenschaft! Dieser Idealismus! Aber wie hatten sie bloß all diese Lügen geschluckt? Was sie anging, die Nachkommen, so waren sie frei schweifende Geister, die von keiner Propaganda vergiftet waren.
Tatsache war, dass die Partei beim
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und anderen liberalen Organen die Atmosphäre geprägt hatte. Die allererste erkennbare Ähnlichkeit war die Feindseligkeit gegenüber Leuten, die anderer Meinung waren. Linke oder liberale Kinder von Eltern, die sie vielleicht Fanatiker nannten, behielten intakte ererbte Denkweisen bei. »Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.« Die Gewohnheit zu polarisieren: »Wenn du nicht so denkst wie wir, bist du ein Faschist.«
Und wie früher in der Partei gab es einen Sockel für bewunderte Figuren, für Helden und Heldinnen, die mittlerweile meist keine Kommunisten mehr waren. Aber Genosse Johnny war eine prominente Figur, ein großer alter Mann, einer aus der alten Garde, und man stellte sich vor, dass er ewig auf einem Podium stand und mit der geballten Faust einem reaktionären Himmel drohte. Die Herzen gehörten noch der Sowjetunion, wenn nicht sogar die Köpfe. Oh ja, man hatte »Fehler« gemacht, und man hatte »Fehler« zugegeben, und dennoch wurde diese große Macht verteidigt, denn die Gewohnheit saß zu tief.
Es gab Leute bei der Zeitung, über die getuschelt wurde: Das sind bestimmt CIA -Spione. Dass die CIA überall Spione hatte, war nicht zu bezweifeln, also musste es auch hier welche geben: Niemand sagte jemals, dass der KGB seine sowjetischen Finger dabei im Spiel hatte, dass er manipulierte und Einfluss nahm, obwohl das die Wahrheit war, die zwanzig Jahre lang niemand zugeben sollte. Die USA waren der Hauptfeind: Das war die unausgesprochene und oftmals laut vertretene Annahme. Das war ein faschistischer militaristischer Staat, und sein Mangel an Freiheit und wahrer Demokratie wurde ständig in Artikeln und Reden angegriffen, und zwar von Leuten, die dorthin in die Ferien fuhren, die ihre Kinder auf amerikanische Universitäten schickten und über »den Teich« flogen, um an Demos, Aufständen, Märschen und Versammlungen teilzunehmen.
Ein bestimmter naiver junger Mann, der aus Bewunderung für die große und ehrenhafte Geschichte des freien und gerechten Denkens zum
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gekommen war, behauptete voreilig, es sei ein Fehler gewesen, Stephen Spender einen Faschisten zu nennen, nur weil er eine Kampagne gegen die Sowjetunion geführt und versucht habe, die Leute dazu zu bringen, dass sie die »Wahrheit« akzeptierten – ein Ausdruck, der das Gegenteil dessen bedeutete, was die Kommunisten damit meinten. Dieser junge Mann behauptete, jeder wisse von den manipulierten Wahlen, den Schauprozessen, den Lagern, dem Einsatz von Zwangsarbeit und dass Stalin nachweislich schlimmer als Hitler sei, also sei es doch richtig, das auch zu sagen. Es gab Rufe, Geschrei, Tränen, eine Szene, die beinahe handgreiflich geworden wäre. Der junge Mann ging, und es hieß, er sei von der CIA eingeschmuggelt worden.
Frances war nicht die Einzige, die sich danach sehnte, diesen heiklen, verlogenen Ort zu verlassen. Rupert Boland, ihr guter Freund, gehörte auch dazu. Zunächst verband die beiden, dass sie die
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