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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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verstehen.«
    »Bin ich auch eine?«
    »Du hast ein gewisses Talent, lange zu leiden, meinst du nicht auch?«
    »Nicht mehr. Schon lange nicht mehr.«
    Er zögerte. Die Szene hätte hier zu Ende sein können, aber er sprang auf, legte einen neuen Teebeutel in seine Tasse, goss Wasser auf, das nicht kochte, sah, dass er einen Fehler gemacht hatte, fischte den Teebeutel heraus und warf ihn ins Spülbecken, fluchte, nahm ihn heraus und warf ihn in den Mülleimer, brachte Wasser zum Kochen, suchte sich einen neuen Teebeutel aus, goss kochendes Wasser darüber – und all das in einer unbeholfenen Hast, die Frances zeigte, dass ihm diese Begegnung nicht gefiel. Er kam zurück, er stellte seine Tasse ab. Er stand auf und streichelte flüchtig den kleinen Hund und setzte sich wieder.
    »Nimm es nicht persönlich«, sagte er. »Aber ich habe darüber nachgedacht: Es ist deine Generation. Ihr seid alle so.«
    »Aha«, sagte Frances und war erleichtert, weil sie den vertrauten Boden abstrakter Prinzipien betreten hatten.
    »Ihr wollt die Welt retten. Das Paradies auf jeder neuen Agenda.«
    »Du verwechselst mich mit deinem Vater.« Dann beschloss sie, selbst zum Angriff überzugehen. »Ich habe das allmählich wirklich satt. Immer werden mir Johnnys Verbrechen vorgehalten.« Sie dachte über das Wort nach. »Ja, Verbrechen. Inzwischen kann man das so nennen.«
    »Wann hätten wir das nicht so nennen können? Und weißt du was? Ich habe tatsächlich in der
Times
gelesen, dass er gesagt hat: Ja, es wurden Fehler gemacht.«
    »Ja. Aber ich habe die Verbrechen nicht begangen und auch nicht geduldet.«
    »Nein, aber du bist genauso ein Weltenretter. Genau wie er. Eure ganze Truppe. Wie eingebildet ihr alle seid. Wisst ihr das? Ihr seid bestimmt die eingebildetste, überheblichste Generation, die es je gegeben hat.« Er lächelte immer noch: Er genoss diesen Angriff, aber er fühlte sich auch schuldig. »Johnny hält immerfort Reden, und du holst lauter Obdachlose ins Haus.«
    Aha, das war also der springende Punkt. Sie sagte: »Es tut mir leid, aber ich verstehe nicht, was das miteinander zu tun hat. Ich kann mich nicht erinnern, dass er jemals jemandem geholfen hat.«
    »Helfen? Ach, so nennst du das. Also, bei ihm sind im Moment lauter Amerikaner, die sich vor dem Militär drücken – nicht, dass ich was dagegen hätte –, und
Genossen
von überall her.«
    »Das ist etwas anderes.«
    »Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dich zu fragen, was aus all den Krethis und Plethis geworden wäre, wenn du sie nicht aufgenommen hättest?«
    »Dazu gehörte auch deine Sophie.«
    »Sie ist nie richtig eingezogen.«
    »Sie hat praktisch hier gewohnt. Und was ist mit Franklin? Er war über ein Jahr hier. Er war dein Freund.«
    »Und dieser verdammte Geoffrey. Ich musste ihn Tag und Nacht in der Schule aushalten und dann die ganzen Ferien über, jahrelang.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du ihn so wenig magst. Warum hast du das nicht gesagt? Warum sagen Kinder nie, wenn sie mit etwas unzufrieden sind?«
    »Na bitte – du hattest nicht einmal genug Verständnis, um das zu erkennen.«
    »Ach, Colin. Und jetzt sagst du gleich, wir hätten Sylvia nicht hier wohnen lassen dürfen.«
    »Das würde ich nie sagen.«
    »Vielleicht nicht mehr, aber auf jeden Fall hast du es gesagt. Du hast mir mit deinen Klagen das Leben schwer gemacht. Ich habe es so satt, all das ist lange her.«
    »Die Ergebnisse sind aber nicht lange her. Hast du gewusst, dass das kleine Miststück Rose herumläuft und erzählt, dass Julia säuft und dass du Nymphomanin bist?«
    Frances lachte. Das Lachen war wütend, aber echt. Colin hasste dieses Lachen: Er starrte sie an, und sein Blick war ein einziger trauriger Vorwurf. »Colin, wenn du nur wüsstest, was ich für ein keusches Leben geführt habe …« Aber jetzt hielt sie sich vor Augen, was der Geist dieser Zeit war, und sagte: »Und überhaupt, wenn ich jedes Wochenende einen neuen Mann hätte, dann wäre das mein Recht, warum denn nicht? Und du hättest nicht das Recht, auch nur ein verdammtes Wort zu sagen.«
    Wie absurd das Ganze war. Colin wurde weiß und saß schweigend da. »Colin, um Gottes willen, du weißt doch ganz genau …« Der Hund unterbrach sie. »Kläff, kläff«, machte er, »kläff, kläff.«
    Frances lachte laut auf. Colin lächelte bitter.
    Tatsache war, dass die Last seines Hauptvorwurfs zwischen ihnen stand, vergiftet, wie er war.
    »Wo hast du diese Zuversicht hergenommen? Vater rettet die

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